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- Zahrbücer

der

utſchen Geſchichte.

NLASSUNG HERAUSGEGEBEN MIT DUBCH DIE FÜTZUNG HISTORISCHE COMMISSION AJESTAET BEI DER

VON BAYERN KÖNIGL. ACADEMIE DER LIAN II. WISSENSCHAFTEN.

Leipzig, Verlag von Dunder und Humblot. 1871.

Jahrbücher fränkiſchen Reiches

unter König Pippin

von

Ludwig Gelsner.

AUF VERANLASSUNG HERAUSGEGEBEN UND MIT DURCH DIE UNTERSTÜTZUNG HISTORISCHE COMMISSION SEINER MAJESTAET BEI DER DES KÖNIGS VONBAYERN KÖNIGL. ACADEMIE DER.._ MAXIMILIAN II. WISSENSCHAFTEN. | ] Leipzig, Verlag von Dunder und Humblot. 1871.

BES tr

Vorwort.

Die Jahrbucher der deutfchen Gefchichte treten mit dem vor— liegenden Bande in das Zeitafter der karolingiſchen Monarchie ein. Bon der unnatürlichen Lahmung früherer Jahrzehnte befreit, vollendet das fränkiſche Königthum unter Pippin und feinem Sohne die ſchon unter der erſten Dynaſtie begonnene Gründung eines romaniſch- ger⸗ maniſchen Weltftantes, indem es jeden Widerftand ber einzelnen Stämme und Stammesfürften nieberwirft und galliſch-römiſche Eultur mit deutſchem Wefen zu einer neuen Ginheit zu verbinden ftrebt. Die Schöpfung war freilich nur von furzem Veftande; ihre Wirkungen aber dauern bis auf unfere Tage fort, auch die weltbewegenden Er eigniffe der jüngften Zeit weifen auf fie zurüd. Denn je inniger die verfchiedenartigen Elemente ſich damals bereits durchdrungen hatten, defto fchwieriger wurde nad) dem Zerfalle „des Reiches die gegenfeitige Abfcheidung feiner zwei Hauptbeftandtheile, und die Grenzgebiete wurden fo der Gegenftand einer Nivalität, die der franzöſiſchen Politik Jahr— Hunderte lang zur Richtſchnur gedient, bis der Heutige große Tag fie endlich in wahrhaft nationaler und darum hoffentlich bfeibender Weife gefchlichtet hat. Mögen die beiden Nachbarvöffer denn in gegenfeitiger Achtung und geiftesverwandter Arbeit bald wieder den friedlichen Wettftreit aufnehmen, der fie zu Trägern der Eivilifation gemacht,

327195

vI Vorwort.

und aud in diefem Sinne darthun, daß das fränfiiche Geſammtreich nicht umfonft den gemeinfamen Eingang ihrer Geſchichte bildet!

Zu dem Charakter dieſes Umiverfalreiches gehört außer den eben erwähnten nationalen Elementen noch ein drittes, das mehr als die anderen beiden erft unter Pippin in den Vordergrund tritt: das religiöfe. Denn damals gelang e8 dem römijchen Kirchenthum, auch die Geifter der Franken in feinen Zauber zu bannen und mit ihrer Hulfe eine geiftige und weltliche Macht zu erringen, die bis in bie Gegenwart hinein von größtem Einfluß auf die Geſchichte Europa’g geweſen iſt. Darin befteht die doppelte Bedeutung des Bonifacius: indem er feine Miffions- und Neformationsthätigfeit an das Papft- thum anfnüpfte, gab er dem fränfifchen Stante zugleich jene Richtung, welhe zur Einmiſchung in die politischen Angelegenheiten Italiens führte; die Vefeitigung des gallifchen Irrlehrers Aldebert und die Bekämpfung des Langobarbenfönigs Aiſtulf ftehen dadurch mit einander in engem Caufalzufommenhange; und wenngleich in Pippins Tagen weder die nationale Richtung der fränfifchen Kirche nod in Stalien das Langobardenreich dem römiſchen Stuhle ganz unterlag, fo wurde damals doch der Grund zu jener Entwidlung Italiens und der Kirche gelegt, die erjt mit dem Jahre 1870 zu entfcheidendem Abſchluſſe ge- Tangt zu fein fcheint.

Siebzehn bedeutfame Jahre alfo find es, denen unfere Dar- ftellung gewidmet ift. ine jede Generation Hält das Schidjal der Welt in ihren Händen; die damals lebende aber hat weit hinaus be⸗ ftimmend auf daffelbe eingewirft. Die Ereigniffe jener Jahre haben daher aud) von jeher das Intereſſe der Wiſſenſchaft erregt und befonders in neuerer Zeit nad) vielen Seiten Hin die Forſchung befchäftigt. Was von itafienifchen und franzöſiſchen, vor Allem aber von deutſchen Gelehrten für den hier in Rede ftehenden Abfchnitt der Gefchichte ge— than worden ift, fei es, indem fie ben Quellenapparat herbeifchafften, die Hiftorifchen Aufzeichnungen, die Gefege, die Briefe jener Zeit in ihrer möglichft urfprünglichen Geftalt vorlegten, das urfundliche Material

4

Vorwort. vo

fammeften und jichteten, oder inden fie den damaligen Begebenheiten und Zuftänden eine tief eindringende Behandlung widmeten, ein jedes Capitel dieſes Buches weift darauf wie auf feine Grundlage Hin; fie haben an dem, was auch mir zu leiften geglückt fein folfte, den beften Antheil; und daß mein Dank manchen unter ihnen nicht mehr erreichen tann, erfüllt mich mit tiefer Wehmuth. Fand ich bei ihnen doch die Mufter jener Unbefangenheit des Urtheils, welche die Geftalten der Vergangenheit bei aller Verfchiedenheit der Lebensziele uns menſchlich näher bringt, bei ihnen die Mufter ausharrenden Strebens nad) einer möglichft erfchöpfenden Löſung der gewählten Aufgabe, bei ihnen end» lich die Vorbilder patriotif—her Hingebung an das Studium der vater: ländifchen Gedichte.

Denn am Ende (wie es Dahfmann einmal ausdrüdt) gehört die Bergangenheit der Gegenwart an und die Schrift dem Leben. Worauf aber wäre dies anwendbarer, als auf die gejchichtlichen Studien in Deutfchland feit dem Unabhängigfeitöfriege der Jahre 1813 und 1814 bis zum Unabhängigfeitötriege der Jahre 1870 und 1871? Der wiebererwachte Nationalgeift Hatte diefe Studien gewedt, die Studien hinwiederum befebten den Nationalgeift. Alte die zahlloſen Leiftungen auf dem Gebiete deutfcher Sprache und Literatur, deutſchen Rechte und beutfcher Gedichte, die großen Werke der Einzelnen und die Unternehmungen vereinter Kräfte, von der Gründung der Geſellſchaft fine ältere deutfche Gefchichtsfunde bis zur Gründung der hiftorijchen Commiſſion bei der königl. bayer. Akademie der Wiſſenſchaften, fie alle find von patriotifcher Gefinnung durchweht, von dem Bewußtſein der Zufammengehörigkeit ſämmtlicher deutfchen Stämme, von der Sehnfucht nad) ihrer ftaatlichen Wiedervereinigung, von der Begeiſterung für eine fchönere Zufunft des Vaterlandes. Die Sehnſucht ift erfüllt, das Ideal iſt ins Leben getreten, die theoretiſchen Discuffionen find durch die machtvolle That zur Entſcheidung gebraht. Nun fteht es aufe gerichtet da, das große deutſche Neich, einiger, ftärfer, als je in den beften Tagen der alten Raiferzeit. Eine Regeneration ohne Gleichen in

VII Vorwort.

der Gejchichte! Der nationale Gedanfe, der Fürften und Volk begeifternd mit ſich fortgeriffen, Hat dies Wunder gewirft, der nationale Gedanke, zu deffen überrafchendem Triumphe die deutfche Geſchichtswiſſenſchaft fo ehrenvolf beigetragen hat. So nehme denn auch diefes Bud), dem in fo bebeutungsvoller Stunde zu erfcheinen befchieden ift, an der alfgemeinen Zeier Theil: als ein Glied jener großen Neihe national gefhichtlicher Arbeiten fei e8 in Bewunderung und Liebe dem geeinten Vaterlande dargebracht!

Frankfurt am Main, den 2. März 1871.

Dr. $udwig Oelsner.

Inhalt.

Erſtes Eapitel. 752. Vom Kirhengut Zweites Eapitel. 752. Urkunden Drittes Eapitel. 751—753. Bonifacins als Biſchof von Mainz Biertes Eapitel. 758. Die Privilegien von m unecn und Fulda . 1. Einfeitendes . . .

3. Fulda Fünftes Eapitel. 758. Beftätigung des Marktrechtes von ©. Dendẽ Schstes Capitel. 758. Kriegeereignifſe Siebentes Capitel. Die Verhäftniffe Italiens um die Mitte des

achten Jahrhundertts.

1. Berfall der byzantiniſchen Macht

2. Langobardiſche Zuflände . .. 2...

3. Die Beziehungen des Papftthums zum Frantenreihe. . -

4. Berwidfungen unter Gregor IL, Gregor II. und Zacharias Achtes Kapitel. 758—754. Die Reife StephansIL ins Frankenreich Neuntes Eapitel. 754. Die Pippiniſche Schenkung - . . . - Zehntes Eapitel. 754. Papft Stephan IL in Gallien . . . - Eiftes Eapitel. 754. Das Ende des Bonifacus . . .. - - Zwölftes Eapitel. 754. Die Synode der Bilderfeinde zu Eon«

fantinopel 22 2202er. Dreizehntes Capitel. 754. Der erſte italieniſche Krieg - Bierzehntes Capitel. 754-755. Die Eongregation der Kanor niker U MB ren Bünfzehntes Capitel. 755. Die Synode von Bernenil . . - Sechszehntes Eapitel, 755. Schenkungen an ©. Germain und ©. Denys

Siebzehntes Eapitel. 755. Verhandlungen der Herbftignode . 1. Die königliche Borlae 2: 220er nee 2. Die Beſchlüſſe der Synode... 222 nee

x Inhalt.

Achtzehntes Capitel. 756. Der zweite italieniſche Krieg . . Neunzehntes Gapitel. 756. Die Synode von Verberie . . . Zwanzigftes Capitel. 756757. Die Lage Italiens in ben

Testen Zeiten des Papftes Stephan . 2 222. 2. Einundzwanzigftes Eapitel. 757. Der Reichstag von Compidgne 1. Ein Maifed. . .. - EEE Kernen

2. Herzog Taffilo von Baiern . . . . - Pa

2. Die Synode zu Aſchheim 76 2 22220. .

b. Die vaſſallitiſche Huldigung Taſſilo's . . . . -

3. Das Capitular von Eompiägte » 2-22 nee Zweiundzwanzigfies Capitel. 757—759. Urkunden. Familien» exeigniffe. Ztalienifche Angelegenheiten. Sachfentrieg . Dreiundzwanzigftes Capitel. 759-760. S. Galliſche Bes gebenheiten. 2 222. - Da Bierundzwanzigſtes Capitel. 760. Aquitaniſche, gothiſche, italieniſche Angelegenheiten. Urkunden. Kirchengeſang . Fünfundzwanzigſtes Capitel. 761—762. Der zweite und dritte aquitaniſche Feldzug. Urkunden für Prüm. Italien . Sechsundzwanzigſtes Eapitel. 762. Der Todtenbund von Mi one Siebenundzwanzigftes Eapitel. 768—764. Gründung des Ar ſters Lorſch. Der vierte aquitanische Zug. Der Abfall Zaffiloo. 2 2 nn Achtundzwanzigſtes Capitel. 768—765. Die Verbannung des Abtes Sturm von Fulda. . Neunundzwanzigftes Capitel. 765. &. Gonr. Die. Mlöfter Chrodegangs. Verhandlungen mit Bagdad und Byzanz.

Aquitaniſche Feldihlaht » . Dreißigftes Capitel. 766767. Tod Ehrodegangs. urtunden. Bilderſtreit. Drei aquitaniſche Feldzüge. Papſt Con- ſtantin I........ . .... Einunddreißigſtes Capitel. 768. Neunter aquitaniſcher Feld- zug; Capitular. Papft Stephan III.

Urkunden. Tod Pippins.. .

Eacurſe.

Erenrs I. Zur Chronologie der italieniſchen Ereigniſſe. . $ 1. Die Regierungszeit des Könige Rachis. - . - » 82. Die Regierungszeit des Könige Aiſtulf.. . . - 8 3. Der Regierungsantritt des Könige Deſiderius . . - 54. Weldis, Sohn und Mitregent des Defiderius. . . -

Seite 254—269 270—281

282—292 293—314 293—296 296 —306 296-302 302—306 306—314 315—8327 328—337 8338— 347 348—356

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436-487

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Inhalt.

85. Die Herzoge von Spoleto 2 22220 ee

8. Herzog Lupo. . . - . b. Spoleto unter ber unmittelbaren” derrſchaft vs

Könige Aiftulf . . Deren

©. Herzog Abuin. 220er d. Herzog Gifulf - . - . - e. Herzog Theodieins . . - 8 6. Die Hergoge vom Benebent 2 2 onen 87. Die zwei italienifchen Kriege Pippins . 2... - - a. Der Feldzug des Jahres 756... 2.2.2... b. Der Feldzug des Jahres 754... ... ... Ereurs OD. Zur Kritit der Capitularien und Stuobalftatuten aus Pippins Königszeit.. 1. Das eapitulare Vermeriene .. . 2.2.2.2... 2. Ueber einige Zuſatzartilel zum capitulare Vermeriense 3. Die Originalität des capitulare incerti anni. . . . 4. Ueber zwei angebliche Capitel des capitulare incerti |}: EEE $ 5. Das capitulare Vernense duplex und fein Berhältniß zum capitulare incerti anni... 2.2... . $ 6. Ueber die Eapitel 15 und 20 dee capitulare Compen- dienss. * 8 7. Ueber einige Zufagartite dam eapitzlare Compendiense $ 8. Ueber den Zeitpunkt des conventus Attiniacensis . . Chronologiſche Meberficht Ercurs III. Ueber die fogenannte Divifio des Kirchenguts durch die Hausmaier Karlmann und Pippin . . . . - 81. Die Geſetze Karlmanns . . 2. $ 2. Das capitulare Suessionense vom Jahre 744 . . . $ 3. Ueber den Begriff des Wortes divisio . . . .. . - Erenrs IV. Das Geburtsjahr Karla des Großen... .... Ercurs V. Die Bulle des Papftes Zacharias für Fulda, ihre Handſchriften und Diude. onen Ereurs VI. Das Todesjahe des Bonifgg Ercurs VIL Die Ehe Bippin® . . 2:2 222 nenne Ereurs VII. Ueber das Fantuzzi'ſche Fragment 2... Ereurs IX. Weber die fogenannte Historia translationis S. Germani Ereurs X. Das Translationsjahr des heil. Germanus. . . -

Erceurs XI. Ueber den Zufammenhang der ep. 8—10 des Codex Carolin . 2.2222 .

Ereurs XII. Charakter und Zeitpunkt der Berfammlung zu aſchein

Ereurs XIII. Die Stellung des Kloſters S. Gallen bis zum Jahre EU. one .

s 8 8 8

463—467

467—468

468—470

471-474 474 474—477 477

478—485 479—482 482—483 484—485

486

487—488 489—494 495496 497—500 501-502

508

504—505 506-508

509—512

XII Inhalt.

Seite Ereurs XIV. Zur Chronologie der S. Galliſchen Begebenheiten . 518—515 Erenrs XV. Die Berbannungszeit des Abtes Sturm von Fulda 516-517

Ereurs XVI. Beiträge zur Annalenkunde .......... 518—522 81. Zur Kritit der annales Xantenses . ... 2... 518—520

82. Zur Rritif der annales Laureshamenses, Petaviani Mosellani . .. 2222 20er 520—522 Ereurs XVIL Die Reichstheilung des Jahres 768... .. - 523—526 Verzeichniß der in abgekürzter Form citirten Were... ... - 527—528 Re een 529-544

König Yippin.

Erſtes Gapitel.

Vom Kirhengut. 752,

Die Königsherrfchaft Pippins, welche in den legten Monaten des Zahres 751 ihren Anfang nahm, *) führt uns fogleich bei ihrem Beginne in das Kirchliche Gebiet ein, auf welches ſich auch fonft die Thätigfeit des Könige und die Bewegung feiner Zeit vornehmlich bezog. Denn e8 galt, wie ſchon in den vorhergegangenen Jahren feines Majordomats, die innere und äußere Lage der Kirche zu ver- befjern. Wir Haben es zunächſt nur mit dem zweiten Gegenftande, den Schiejalen des Kirchen- und Koftergutes, zu thun.

In einem Schreiben des Bonifaz vom Jahre 742 finden wir folgende Schilderung der kirchlichen Zuftände im Frantenreiche: ) „Mehr als 80 Jahre lang haben die Franken nad Ausfage älterer Leute feine Synode gehalten, feinen Erzbifhof gehabt, canoniſche Einrichtungen weder begründet noch erneuert; jetzt aber ®) find die biſchöflichen Site in den Städten zum größten Theile entweder Habfüchtigen Laien zum Befit, *) oder unzüchtigen Klerikern, Wüftlingen und Zölfnern, 5) zu

) Die Unterfucung Sidel’s, Ueber die Epoche der Regierung Pippins, For- jungen zur deutſchen Geidichte IV. S. 439 fj., im Äuszuge wiedergegeben Urkundenlehre S. 242, welde den Regierungsantritt Pippins in die erfte Hälfte des November 751 jet, Tann im diefer vielbehandeften chronologiſchen Frage für's erſte wohl als abſchließend betrachtet werden.

Jaffe, Bibliotheca III. ep. 42. p. 112,

') Modo autem maxima ex parte per civitates episcopales sedes traditae sunt laicis cupidis ad possidendum va adulteratis clericis, scortatoribus et publicanis, geculariter ad perfruendum.

+) Nach Jaffé's Interpunktion würde ad possidendum zu cupidis, nicht zum Berbum des Satzes gehören. Ich glaube jedoch, daß cupidis für ſich allein fteht, in dem Sinne wie z. ®. in ber Translatio 8. Mauri c. 11, Mabillon Acta SS. IV. 2. p. 170, der Ausbrud cupidae mentis homines und wie aud) in den Urkunden fo häufig das Wort cupiditas.

°) Diefe letzteren zwei Worte find offenbar ein bibliſcher Beifag zu cleriei, wie Bonifaz aud an einer andern Stelle von ethniei et publicani redet; Jaffe,

Sahrb. d. diſch. Geſch. Delsner, König Pippin. 1

2 Eapitel I. 752.

weltlichen Genuß überlafjen.“ Das gleichzeitige Capitular Karlmanns bietet ein noch genanere® Bild von dem unkirchlichen Lebenswandel ‘der damaligen Geiftlichfeit, von der daraus hervorgegangenen Ver- fümmerung des Chriftentfums im Volke, dem Ueberhandnehmen heid- nifchen Glaubens und Brauche. t) Auch einzelne Beiſpiele beftätigen die Worte des Bonifaz. So befand ſich das Bisthum Reims zur Zeit Karl Martells in den Händen des Milo, der, um mit den Worten de8 Papftes Hadrian zu reden, nur durch die Tonſur Geiftlicher war und von den firchlichen Ordnungen nichts verftand, unter deſſen Ver- waltung die Kleriker der Diöcefe, ſowohl die Priefter als aud bie a, und Nonnen, ohne Kirchengefeg, nah Willtir und Belieben lebten.

Daß bei ſolchen Zuſtänden auch der ſeit langer Zeit aufgeſammelte Beſitz der Kirche Schaden leiden mußte, liegt auf der Hand und wird ſelbſt von denen zugeſtanden, die eine unmittelbare Beraubung der Kirche durch Karl Martell zu beſtreiten bemüht ſind.“) Jenen hab⸗ ſüchtigen Laien war es ja, wie Bonifaz es deutlich ausdrüdte, nur um den Güterbefig, *) jenen Klerikern nur um den Genuß des Kirchen- vermögens zu thun. Sie werden bafjelbe entweder verjchwendet ober an ihre Verwandten und Freunde vergeben, kurz, ihren Stiftern ent- fremdet haben, fie werden auch dem Machthaber, der fie eingeſetzt, durch Schenkungen oder Verleihungen an feine Kriegsleute willfährig geweſen fein. So wird erzählt, daß der Abt Teutfind von S. Wandrille (734— 738) faft den dritten Theil feines Kirchengutes an feine Ange börigen und an konigliche Vaſallen verfchenkt; ®) unter Anderen habe Graf Rothar eine große Anzahl von Befigungen, welche einzeln auf- geführt werden, empfangen, und zwar nicht zu förmlichem Eigenthum, fondern nur als Precarie gegen einen jährlichen Zins. Es ift wohl

Bibl, II. ep. 70. p. 209; vgl. Matt. 18, 17. 21, 82. Waitz, Berfaffungs- geichichte IT. ©. 17, auch Hahn, Yahrb—her ©. 180, Iegt daher auf publicani zu viel Gewicht.

}) Karlomanni princ. capit. a. 742 c. 5.

%) Hadriani I. papae epist. ad Tilpinum archiep. Rhem. bei Migne, Patr. lat. XCVI. col. 1213.

®) Roth, Beneficialwefen S. 834. 341.

+) Man ham sine anere, allgemeiner gehaltene Ste. gleichen Inhalts (Jaffe, Bibl. III. ep. 70. p. 208): Illud autem, quod laicus homo, vel inperator vel rex aut aliquis praefectorum vel comitum, saeculari potestate

tus, sibi per violentiam rapiat monasterium de potestate episcopi vel

abbatis vel abbatissae, et incipiat ipse vice abbatis regere et habere sub se monachos et, pecuniam possidere, quae fuit Christi sanguine conparata etc. Aud) in den Worten ber Vita Eucherüi (j. Roth, BW. ©. 331. N. 68), wonad; Karl Martell aufgefordert wurde, ut b. virum ... cum omni propinguitate ipsius exilio deputaret honoresque eorum quosdam propriis usibus annecteret, quosdam vero suis satellitibus cumularet, ift Mar ausgeiproden, da man «8 bei der Entfernung jener Familie von ihren Aemtern und Würden hauptſächlich auf das mit benfelben verbundene Vermögen abgejehen Hatte; e8 geht dies nament- lich aus den Worten usibus annecteret hervor.

®) Gesta abbatum Fontanellensium c. 10, Pertz 88. II. p. 282-283.

Bom Kirchengut. 3

anzunehmen, daß ſolche Vergabungen Teutfinds an königliche Vaſallen und Beamte nicht ohne Hinzuthun des Majordomus erfolgt find. Ein anderes Beifpiel ganz ähnlicher Art Hat fi in einer Urkunde Pippins vom Jahre 754 erhalten.) Die Villa Taberniacum nämlich, im Gau von Paris gelegen, war vor Jahren durch Schenkung in den Beſitz des Kloſters S. Denys gelangt, von diefem dann aber auf den Wunſch des Hausmaiers Ehroin ?) als Precarie an einen Dann, Namens Zohannes, ebenfo fpäter auf Antrag König Childeberts ſowie des Hausmaiers Grimoald an zwei andere Perfonen, gleichfalls in Form einer Precarie verliehen worden.?) Wir dürfen aus ſolchen Vorgängen indeß wohl faum auf ein von der Staatsgewalt in Anſpruch genommenes Berfügungsrecht über kirchliches Gut ſchließen; 4) die Fürften legten nur ihre Fürjprache ein, wie ſolche auch fonft oft in Urkunden vorkommt, ohne daß darin ein Machtgebot erfannt werden darf; °) über» dies lag in der Uebertragung auf Lebenszeit gegen Zins, wie fie zum Begriff der Precarie gehörte, keineswegs ein völliges Aufgeben des Beſitzthums von Seiten des Stiftes. -

Neben folchen freiwilligen Vergabungen freilich begegnet uns in jener Zeit auch mande Gütereinziehung wider den Willen der Kirchen- vorfteher; fo 3. B. in Auxerre von Ceiten Karl Martells jelbft. Denn die Einziehung der Befigungen des Bisthums geſchah unter dem Episcopat Aidulfs, deſſen prüfungsreice Verwaltung trog aller Einwendungen hauptſächlich in die Zeit Karls gefegt werden muß. °) Mlein dies ift ja nicht die Hauptfrage, ub oder inwieweit das Staatd- oberhaupt bei den Berminderungen des Kirchengutes mitgewirkt. Denn indem wir, wie jogleich ausgeführt werden fol, eine Säcularifation, d. i. eine gleichmäßige gefegliche Einziehung alles Kirchengutes, in der

») Sickel P. 9; f. unten Cap. X.

®) Ad petitiones inlustris viri Ebroini majoris domus.

®) Precarias anterioris regis domni Childeberti et precariam avunculi nostri Grimoaldi majoris domus. Ueber diefe ungewöhnlichen Ausdrüde vgl. Sickel, P. 9*.

+) So fieht es 3. B. Waitz an, BG. II. ©. 15. (N. 2).

5) gl. die Schenkung Chilperihe II. an S. Denys 717 ad peticione inlustri viro Raganfredo majorim-domus nostro : Migne Patr. lat. LXXX VIII. col. 1126. Im italieniſchen Urkunden ift der ftehende Ausdruck für folde Vermittlung: per rogum. Auf die petitio eines Königs mochte allerdings wohl oft das bei Sidel, UL. 6.65. N. 4, angeführte Wort des Biſchofs Yandericus von Paris paffen: quia supra- dieti . . . regis petitio quasi nobis jussio est, cui difficillimum est resisti.

*) Historia epp. Antissiodorensium c. 32 bei Labbe, Nova bibliotheca librorum manuser. I. p. 430: Aidulfus . . . sedit annos 15, fuit temporibus Caroli et perduravit usque ad Pipinum Ejus tempore res ecclesiasticae ab episcoporum potestate per eundem principem abstractae in dominatum saecularium cesserunt. Mau wird Roth, BR. S. 450, ſchwerlich einräumen können, daß unter idem princeps nicht Karl, jondern Pippin zu verftehen ſei. Bern das dafelbft citirte Chronicon 'Turonense von Aidulf fagt: Anno Leonis 18. Antissiodoro post Clementem successit Aidulfus, post Maurinus, fo Tonnte Roth diefe Notiz für feine Meinung am wenigſten geltend maden; denn das 18. Regierungsjaht Kaiſer Leo's dauerte vom 25. März 729 bis zum 25. März

4 Capitel I. 762.

Zeit Pippins nicht zugeben, ſind wir keineswegs gemeint, dieſelbe in die Tage feines Vaters zurückzuverlegen. Eine ſoiche Alternative Liegt nicht vor, und es handelt ſich für uns nur darum, die Thatſache einer mehr oder weniger verbreiteten Kirchenberaubung ſchon in den Zeiten Karl Martells nachzuweiſen.

Da tritt uns nun als beachtenswerther Beleg abermals das Beifpiel von S. Denys entgegen. Die Vertreter dieſes Kloſters klagten vor dem Hofgericht Pippins, da er noch Hausmaier war, über den Verluft einer Menge größerer und Heinerer Ortſchaften, von denen beinahe 50 mit Namen angeführt werben, in deren Beſitz ihr Stift vor langer Zeit durch Schenkungen der Könige und anderer Frommen gelangt fei, die e8 aber durch die ruchlofe Batgier böfer Menschen, auch durch die Lauheit der Aebte und die Nachläffigkeit der Richter wieder eingebüßt habe. ?) Ohne Zweifel waren diefe Befigungen nicht erft während der Negierung Pippins, fondern ſchon feit geraumer Zeit *) und alfmählich verloren gegangen. Wir hören zugleich, wie das gelommen. Es fehlte ſowohl Seitens der kirchlichen als auch, Seitens. der weltlichen Vorfteher Hier und gewiß auch anderwärts, an der hinreichenden Wachſamkeit, und fo fonnte die Habgier mit Erfolg ihr Spiel treiben. Die mannigfachen Proceffe, die theils das Klofter gegen Andere, theils ſelbſt Brivatperfonen gegen das Kiofter anftrengten, °) in denen e8 aud) wohl vorfam, daß beide Parteien ihren Anſpruch urfund- lich zu begründen wußten, *) beweifen eine Unficherheit der Rechtszuftände, bie alten Beſitz gefährden mußte. 5)

So fam «8, daß nicht nur jene Laienbiſchöfe und verderbten Priefter, von denen Bonifaz erzählt, ihr Kirchengut zu weltlichen Zwecken ver- wandten, fondern daß den geiftlichen Inſtituten aud) fonft auf mwider- rechtliche Weife gar manches Beſitzthum entfremdet wurde. Wenn Karlmann daher faum 6 Monate, nachdem er in die Stellung feineg Vaters eingetreten, den doppelten Beſchluß faßte, den Kirchen das ihnen entfrembete Gut wieder zurüdzuerftatten und zugleid) die „faljchen

730 (f. die Ian ansgearbeitete Tabelle bei Jaff6, Bibl. III. p. 18), und da Aidulf der Historia zufolge nur .15 Jahre Bifchof war, fo fällt fein Episcopat, genau den obigen Worten der Historia entfprechend, im die Jahre 729-744. Ehenfo genau trifft e8 dann zu, wenn von feinem Nachfolger Maurinus Hist. c. 83 p. 431 geja, at wird: ae orians episcopus sedit annos 28, fuit circa exordium regni ) Pardessus, Fe et "chart. II. 608. p. 418: a pravis sen malis hominibus per iniqua cupiditate seu malo ingenio vel tepiditate abbatorum vel neglecto judicum de ipsa sancta casa abstractas vel dismanatas fuerunt. Die ganze Urkunde wird in Sickel K. 45 wörtlich wiederholt und beftätigt; Karl fügt nur noch vier weitere Güter hinzu. u —9 —— der Plural abbatorum in der vorſtehenden N. 1; vgl. auch ic) 2 En Tegteren Art gefört: Migne Patr. lat. LXXXYIIT. col, 1808 u. 9. 747. Pardessus II. 608. p. 414 (a. 750); äfnlid) Sickel K. 46. 334 Beifpiele, wie jelbft Fiscalgut fa, längere Zeit in unrechtmäßigen Händen befinden konnie, bieten Bickel K. 127.

Bom Kirhengut. 5

Prieſter“ von der Verwaltung der Stifter zu entfernen, !) fo wäre es eime zu enge, durch den Wortlaut des Geſetzes keineswegs gebotene Auffaffung, in jenen Verluften der Kirche nichts als die Unterfchlagungen der früheren Geiftlichteit zu fehen. *)

Das dann folgende Verfahren der Söhne Karl Martelis, durch eine eigenthümliche Meißdeutung der Quellen ®) von mander Seite als eine allgemeine Einziehung des Kirchengutes durch den Staat angefehen, *) war in Wirklichkeit, wie ſchon die Maßregel Karlmanne im Jahr 742, eine Reftitution des Kirchengutes, nur mit der Mobdifi- cation, daß die Stifter, was jie verloren Hatten, nicht volfftändig zurüderhielten, fondern daß ein Theil davon als Precarie in Laien- händen verblieb. Die Inhaber folcher Precarien, wahrſcheinlich meift die bisherigen Beſitzer der Grundftüde, 5) mußten einen jährlichen Zins an die Kirchen zahlen, und bei ihrem Tode erfolgte, wenn nicht etwa der König, durch die Verhältniffe gezwungen, eine neue Verleihung verlangte, der Heimfall des Gutes. Ja, jobald dem Stifte Mangel drohte, mußte das Gut ihm fogleich zurücgegeben werden.

Es war eine Maßregel, die in jeder Beziehung den Vortheil der Kirche bezwedte. Denn auch die Precarienertheilung begriff ja eine Anerkennung des kirchlichen Eigenthumsrechtes in ſich und ſchloß ſich durchaus nur einem ganz verbreiteten Gebrauche jener Zeit an. Auch daß der Landesfürft die Ertheilung der Precarie vermittelte, war nicht neu; wir erinnern an das obenerwähnte Beifpiel der Villa Taberniacum, welche ſchon in merowingiſcher Zeit dreimal nacheinander auf fürft- fies Anfuchen als Precarie des Klofters S. Denys vergeben worden war. Wir fünnen daher, wie in diefem einzelnen Falle, fo aud in dem umfafjenderen Verfahren der Tarolingifchen Brüder fein Ver— fügungsrecht des Staates über das Kirchengut erfennen. So fah es auch ficher die damalige Geiftlichkeit an, indem fie dem Beichluffe ihre Zuftimmung gab. Sie hatte es an Einreden keineswegs fehlen faffen, wie behauptet worden; °) ihr Widerftand aber bezog fid nicht auf die beabjichtigte Precarienertheilung, fondern nur auf die Höhe des jährlich zu entrichtenden Zinfes, ?) und der Papft, welder in einem

. _') Karlomanni principis capit. a. 742 c. 1: Et fraudatas pecunias eccle- siarum ecclesiis restitulmus et reddidimus. Falsos presbiteros ... . de pecuniis ecclesiarum abstulimus et degradavimus et ad poenitentiam coegimus. 3) Roth, Feubalität S. 98. ®) Eine nähere Beſprechung der einſchlagenden Gejegeäftelfen f. in Ereurs II. at befonderg die in vorerwähutem Excurs angeführten Schriften von 0

?) Jaff6, Bibl. II. ep. 51. p. 150—151: De censu vero expetendo, eo juod impetrare a Francis ad reddendum aecclesiis vel monasteriis non po- isti, quam ut in vertente anno ab unoquoque conjugio servorum 12 denarii reddantur: et hoc gratias Deo, quia hoc potuisti impetrare ... et dum Dominus donaverit quietem, augentur et luminaria sanctorum (745, Oct. 81).

6 Eapitel J. 752.

Schreiben vom 31. October 745 feinen Legaten Bonifaz darüber beruhigen mußte, brachte vielmehr auch für das, was bemilligt worden fei, Gott feinen Dank dar, indem er von ruhigeren Tagen eine weitere Beſſerung Hoffte. 1) Wenn ftatt defjen zu Ende des 8. Jahrhunderts der urfprüngliche Charakter der Mafregel völfig umgeftaltet war, ?) fo fällt dies eben der fpäteren Zeit, nicht den erften Urhebern des Geſetzes zur Saft; man müßte denn behaupten wollen, daß fie Anderes verheißen und Anderes beabfichtigt Haben. Yon König Pippin aber liegen wieder- holte Beweife einer confequenten Durchführung der Mafregel vor.

Im Jahre 755 verordnet die von ihm berufene Synode von Verneuil: „Wenn es Klöfter geben jollte, die aus Armuth die Vor— ſchriften des Ordens nicht erfüllen fünnten, fo möge der Bifchof die Wahrheit der Sache prüfen und dem Könige alsdann davon Anzeige machen, damit diefer in feiner Mildthätigfeit Abhülfe gewähre.“ ) In demfelben Jahre wird auf eine Verordnung hingemwiefen, der zufolge die Aebte und NAebtiffinnen der Klöſter, offenbar um eines geordneten Haushalts willen, über die Befigungen, welde ihnen zu ihrem Lebeng- unterhalte überlaffen worden, dem Könige oder ihrem Biſchof Rechen⸗ ſchaft zu leiften hatten. *) Im Jahre 768 endlich übertrug Pippin diefelben Grundfäge, nad welchen er das Kirchengut im Frankenreiche behandelt Hatte, auch auf die Bisthiimer und Abteien des eroberten Aquitaniens, indem er ihnen das, was fie zur Beftreitung ihrer Lebens- bedürfniffe befaßen, gegen jeden Eingriff ficherte. °)

Diefen Gefegesbeftimmungen entſprachen auch einzelne Thatfachen, deren Andenken uns erhalten ift. In erjter Reihe ift Hier eine annaliſtiſche Nachricht zu verzeichnen, wonach Pippin auf Ermahnen des Bonifaz einigen Bisthümern die Hälfte oder den dritten Teil ihrer Befigungen wiedergab mit dem Verſprechen, daß er in Zufunft Alles reſtituiren

Wenn Ziſczn. wie wir aus einem andern Schreiben deſſelben Papſtes erſehen (Jaff&, Bibl. III. ep. 80. p. 225), im Jahre 751 nochmals auf dieſen Zing zurückkam, jo geſchah dies ohne Zweifel nur im Rüdblick auf feine ganze Ver gangenheit, beweift aber, daß die vor 7 ober 8 Jahren beichlofjene Mafregel auch wirklich zur Ausführung gelommen war.

*) Roth, Münchener hiftor. Jahrbuch für 1865, ©. 286.

ml Capit. Vern. c. 6.

+) Daj. c. 20 (Petitio episcoporum c. 8). Es ift nicht recht abzuſehen, warm, wie Roth Fendalität S. 100 meint, an dem Worte demittebatis An⸗ ſtoß genommen werden müßte.

5) Capit. Aquitanicum (Pertz LL. IL p. 18) e. 3; j. unten Cap. XXXI; Roth, BW. ©. 344 und Mindener Jahrbuch S. 281, hat in dieſem Sate die Worte ad eorum opus überfehen, außerdem die Verordnung auf das ganze Reich bezogen, darin alfo eine Zuficherung erfannt, daß fortan fein Gut, das ſich noch im Defig der Kitche befinde, feiner Beftimmung mehr entzogen werden folle. Aud) Hahn, Jahrbücher S. 182, deutet den Sa zu allgemein auf eine Sicherung der Kirche vor weiteren Uebergriffen. Mit der früheren Synode, deren der König ges denft, sicut in nostra sinodo jam constitutum fuit, fönnte jehr wohl die Ber- fammlung von Soiffons gemeint fein, auf welcher beftimmt worden war, daß bie Mönde und Nonnen de rebus ecelesiasticis subtraditis consolentur, usque ad illorum necessitati satisfaciant (Pippini principis capit. Suession. c. 8).

Vom Kirchengut. 7

werde. 1) Ohne Zweifel verblieb der zurüdbehaltene Theil in Form zinsbarer Precarien fürs Erfte noch weiter in Laienhänden. Obwohl unfere Quelle diejes Factum zum Jahre 750 erzählt, fo bringt fie doch auch die Nachricht von der Krönung Pippins unter demjelben Jahre, unmittelbar vor der uns hier intereffirenden Notiz; wir haben diefe daher wohl mit Recht in das Jahr 752 geſetzt und darin einen Hauptanlaß gefunden, die Kircengutsangelegenheit überhaupt an dieſer Stelle zur Sprache zu bringen.

Andere Reftitutionen werden in den Urfunden überliefert. Es iſt fchon oben der großen Zahl von Ortfchaften gedacht worden, welche Pippin furze Zeit vor feiner Krönung ?) dem Kloſter S. Denys von Rechts wegen zugejprochen. In das erfte Jahr feiner Königszeit gehört ein ähnliches, zu Gunſten deffelben Kloſters erlafjenes, Diplom. °) Auch das einzige aus Pippins Zeit erhaltene Veifpiel einer nad) Vor: ſchrift des Geſetzes ertheilten Precarie fällt in das Jahr 752.) Zwei völlig gleichartige Reftitutionen, beide wiederum zu Gunften von ©. Denys, erfolgten in den Jahren 754 und 766.°) Zwei Villen, Taberniacum und Exona, welde einft von vornehmer Seite, die letztere fogar von einem Könige, dem Kloſter gejchenft worden waren, befanden ſich fchlieglih in den Händen von Vafallen Pippins, des Gafindus Zeubbert und des Grafen Raucho, denen fie der König felbft zu Bene- ficium verliehen hatte. Die Urkunden fügen übereinftimmend Hinzu, daß die Güter durch böfe Menſchen in fträflicher Habgter dem Stift ent- riffen worden jeien; der König Hatte fich bei Verleihung derfelben alfo über ihre Zugehörigkeit getäufht. Qaberniacum Hatte vorher, wie bereits erwähnt, ©) fchon dreimal auf fürftliche Verwendung als Precarie gedient; das Eigenthumsrecht des Kloſters war demnach erft feit damals in Bergeffenheit gerathen. Pippin trug, nachdem ihm von Beauftragten Fulrads die Beweisſtücke vorgelegt worden, fein Bedenken, die beiden Villen unter Aufhebung aller andern Anſprüche in voller Integrität dem Kloſter zurüczuerftatten. 7)

Freilich liegen aud aus Pippins Regierungszeit Erfcheinungen der entgegengefegten Art vor; aber das Wenigfte wird ihm ſelbſt zugefehrieben werden können. Wir haben foeben gefehen, wie er durch die Schuld Anderer er würde font nicht von der ruchlofen Habgier

) Ann. Bertiniani a. 750, Pertz SS. I. p. 138: Pipinus, monente sancto Bonifacio, quibusdam episcopatibus vel medietates vel tertias rerum [reddidit], promittens in postmodum omnia restituere.

3) Pardessus II. 608. p. 418; j. oben S. 4. N. 1 und Ereurs IIL.$1ex.

®) Sickel P. 1; j. unten Cap. II.

+) ©. unten Cap. II. ex.

>) Sickel P. 9. 25; j. unten Cap. X. in. und Cap. XXX.

% &. oben ©. 3.

?) Zwei andere Villen, Avisinae, quem vassus genitoris nostri [Pippini regis] tenuit, und Madriu, quem Gabbifrisio per beneficium habuit, werden erft von Karl im Jahre 775 an ©. Denys zurüdgegeben: Sickel K. 45, dazu Anmerl. ©. 245,

8 Capitel I. 752.

böfer Menſchen gefprochen haben zu Eingriffen in den Beſitz feines Yieblingsffofters verleitet worden war. Es beruhte vielleicht auf einer ähnlichen Täuſchung, daß er die Billa Anifiacus und nod einige “andere, welche dem Bistyum Laon gehörten, als fein Eigenthum be— trachtete, 1) oder daß er feinem Bruder Remedius unter anderen bur— gundifchen Ortſchaften auch Güter des Bisthums Langres übertrug. ?) Man muß dabei unwillkürlich eines Ausſpruches gedenken, den einft Karl der Kahle that, als er die Güter eines Kloſters, welche er vorher

an Andere verliehen Hatte, jenem wieder zurücderftattete: die Einpfänger .

diefer Befigungen, fchreibt er, haben uns, wie wir nunmehr in Er— fahrung bringen, lügenhafterweife vorgeredet, daß diefelben unfer Eigen- thum feien.?) Es wäre ein großer Irrthum, zu glauben, daß die damaligen Geſellſchaftsverhältniſſe fo ruhig und geordnet gewefen feien, wie etwa die unferen. Welche Gewaltthaten erlaubten ſich z. B. die Ziscalinen Pippins gegen die Befigungen und Untergebenen des Kloſters S. Germain, bis endlich bei der Translation des Heiligen der König davon Kunde erhielt.) Wie viel Unrecht wird daher auch fonft in dem weiten Umfang feines Reiches gegen Kirchengut und Kirchenleute begangen worden fein, ohne daß er davon gewußt oder erfahren hat. Wenn Gaidulf von Ravenna, dem er das Klofter Glanfeuil über- tragen, fein Amt fchlecht verwaltete, fo erfahren wir doc grade hier, daß die Beraubungen des Stifts, welche übrigens erft in die Regie rungszeit Karls des Großen fielen, nur dadurd möglich waren, daß fie von Niemand zur Kenntniß des Königs gebracht wurden.) Es wird ganz allein dem Biſchof Gauziolenus von Le Mans fhuld ge- geben, daß die N löfter feines Sprengels durch Verfchleuderung ihrer Güter verödet find. ©) Das Verfahren des Abtes Wido von S. Wanprilfe (753—787) wird faft mit denfelben Worten gejchildert, wie das des

') Vita S. Remigii auctore Hinemaro, Bouquet V.p. 432; f. übrigens Waig, 36. IV. ©. 171. N. 4.

%) Chronicon Besuense ed. Dachery, Spicilegium I. p. 508.

*) Rai, BG. IV. ©. 189. N. 5: comperientes scilicet, susceptores earumdem rerum nobis esse mentitos, qui nostre proprietatis esse res Deo collatas nobis mentiti sunt. Dieſe Worte fdjeinen mir nämlich nicht einen all- genen Grundfag zu enthalten, jondern ſich nur auf den beftimmten Fall zu beziehen.

*) Translatio S. Germani c. 5, Mabillen Acta SS. II. 2. p. 96; |. unten Cap. XVI.

®) Tranglatio S. Mauri c. II., Mabillon Acta SS. IV. 2. p. 170: post ejusdem [Gaidulfi] percussionem praedia ac villae ... tam a comite An- degavensi quam ab aliis quibusque praesumtuosae ac cupidae mentis homi- nibus usurpatae sunt ... quia nemo fuit, qui ad notitiam ... imperatoris Caroli ... hoc perferre curaret.

®) Acta epp. Cenomannensium c. 17, Mabillon Analecta p. 289: quando ipse [G.] defunctus est, quod pudet dieere, pauci et quasi nulli in his [86 monasteriolis] monachi remanserunt, quoniam ille eos inde indesinenter eicere studuit et laicis ac secularibus Yominibus ipsas cellulas beneficiario jure possidendas tradidit.

Bom Kirchengut. 9

Teutfind, von dem oben bie Rede war, ) umd wir können nicht finden, daß der Berichterftatter, fei es zwiſchen dem Verhalten der beiden Aebte oder der Mitwirkung ihrer Fürften, einen weſentlichen Unterſchied macht. %) Nirgende ift, außer den vorerwähnten zwei Beifpielen von Laon und Langres, von einem unmittelbaren Angriffe Pippins auf da8 Kirchengut die Rede. Ob num Wilicarius von Vienne fein Bisthum ſchon unter Karl?) oder erft umter. Pippin‘) wegen ber Beraubung feiner Kirche verließ, dürfen wir daher ruhig dahingeftelft fein laſſen; die That wird auch hier nicht der Staatsgewalt, fondern nur unbeftimmt den Franken zugefhrieben. 5) Wir hören, daß ber von Bonifazius eingefegte Abel von Reims wieder geftürzt worden ift, %) daß Milo und Seinesgleihen den Kirchen vielen Schaden zufügen, 7) daß ein anderer, feiner Würde entfegter Biſchof auch nach der Degradation die Güter feiner Kirche am fi zu reißen fucht: ®) aber es fehlt jeder Anhaltspunkt, um die Schuld oder Mitſchuld Pippins an. allebem behaupten zu können. Selbſt wenn der Bijchof Wiomad von Trier die Befigungen feiner Kirche mit dem Grafen theifen mußte, °) ift es nicht ausgemacht, daß diefer Graf im Auftrage feines Königs fo handelte. Vielleicht die umfafjendfte Einziehung. von Kirchengut zur Zeit Pippins, erfolgte in Alamannien durch die Grafen Rudhart und Warin; 1°) aber fo ausführliche Nachrichten hierüber auch vorliegen, nichts weift darauf Hin, daß der König die Handlungsweiſe feiner Vertreter veranlaßt habe. .

Diefe Beleuchtung der einzelnen Thatfachen war nothwendig, nicht um apofogetifcher ober um kirchlicher Zwede willen, die ung ferne Liegen, jmdern um für die lapidaren Worte einer zweiten annaliftifhen Auf- zeichnung, die fich wie die vorerwähnte unmittelbar an die Nachricht von

) Bon Teutfind beißt es, Gesta abb. Font. c. 10: pene tertiam facul- tatum partem abstulit suisque propinquis ac regiis hominibus ad possiden- dum tradidit; von Wido c. 15: plurimae res ecclesiae perierunt, quas ipse regiis hominibus ad possidendum contradidit.

?) Dies behauptet Roth, Münchener Jahrbuch 1855, S. 297—298.

>) Wie Hahn, Jahrbücher ©. 187, berechnet.

I So Roth, BB. ©. 338.

®) Adonis Chron., Pertz SS. II. p. 319: cum ... Franci res sacras ecclesiarum ad usus suos retorquerent.

N Hadriani papae epist. ad Tilpinum archiep. Rhemensem, Migne Patr. Jat. XCVI. col. 1213: Qui [Abel] ab illo [Zacharia papa] constitutus fuit, sed ibi permanere permissus non fuit, sed magis contra Deum ejectus est etc.

”) Jaffe, Bibl. III. ep. 80. p. 224: De Milone autem et ejusmodi simi- libus, qui aecclesiis Dei plurimum nocent ete. \

®) Daj. p. 225: Episcopus autem eondempnatus, de quo inguisisti, qui ... reg ecclesine post degradationem sibi vindicare nitetur etc.

®) Beer, mittelch. Urkmmdenbuh I. S. 214: quae quondam tempore Wiomadi . .. de episcopatu abstracta et in comitatum conversa fuisse noscuntur. * 40) Vita 8. Otmari c. 4, Pertz SS. II. p. 43: Warinus et Ruodhardus, qui tunc temporis totius Alamanniae curam administrabant ... res eccle- siarum sub sua potestate sitarum magna ex parte in proprietatis suae domi- nium per vim contraxerunt; f. unten Cap. XXI.

10 Capitel I. 752.

der Krönung Pippins anjchließt, daher ebenfalls ins Jahr 752 zu fegen ift, das richtige Verftändniß zu gewinnen. „Die Güter der Kirche, fo lauten die Worte, wurden verzeichnet und vertheilt.“ *) Der kurze Sag hat die mannigfachften Auslegungen erfahren; die Einen haben darin die Säcularifation, *) die Andern hinwiederum eine Neftitution im Sinne des Capitulars von Leftines gefunden. °) Nur darin ftimmte man überein, daß der Sak von einer das Neid) umfaſſenden, gefeg- geberifhen Maßregel Handle. Und doc) Liegt e8 durchaus nicht im Weſen jener älteften Annalen, auch von Akten der Geſetzgebung Notiz zu nehmen; *) zudem würde, wer in der Nachricht ein neues Reftitutions- verfahren erfennen wolfte, den Wortlaut des Satzes künſtlich auslegen müffen. 5) Am einfachiten erffärt fich diefer, wenn wir ihn auf ein lokales Faktum deuten. Die Nachricht findet ſich ausſchließlich in den drei Annalen, welche dem elſäſſiſchen Kloſter Murbach entjtammen. Wie nun, wenn damit die gewalttätigen Gütereinziehungen Alamanniens gemeint wären, welche in der ©. Galliichen Kloftertradition zwar nur auf die zwei nächftanwohnenden Grafen zurüdgeführt werden, an welchen aber, wie wir beftimmt erfahren, auch andere alemannifche Stiftungen, alfo gewiß auch noch andere Grafen des Landes, betheiligt waren? Auf eine Vertheilung der eingezogenen Güter fein aud) eine Urkunde - des Klojters S. Gallen Hinzuweifen. °)

Unfer Refultat ijt: 7) das große Ereigniß einer Säcularifation, das unter den Söhnen Karl Martells begonnen, mit dem Ableben Pippins fein Ende erreicht haben fol ®) und das angeblich von den der Zeit nach Zunächftftehenden todtgeſchwiegen worden, ?) Hat niemals ftattgefunden; der Staat hat in Pippins Tagen fo wenig wie unter feinen nächften Vorgängern und Nachfolgern eine freie Verfügung

') Ann. Alamannici Guelferbytani Nazariani 751, Pertz SS. I. p. 26—27: Res ecelesiarum (G. ecelesiae) descriptas atque (G. und N. quae et) divisas. ®) Bol. befonders Roth, Feudalität ©. 82 ff.

*) Waitz, BG. II. ©. 35. N. 1, ber in diefen Morten daher dafjelbe aus- jebrücht findet, wie in der oben erwähnten Stelle ver Ann. Bertiniani; ähnlich ah, Jahrbücher ©. 185.

4) Aus Pipins Zeit wäre fonft nur noch die eine Notiz der Ann, Petav.

und Mosellani 755 anzuführen: et mutaverunt Martis campum in mense Majo. Wir haben dieſe Nachricht jedoch unten, Ercurs I. $ 7°, zu entkräften

*) Wartmann, Urtundenbucd der, Abtei &. Gallen IL. 161: res mens Brose [flat quas?] ego quesivi de Werino; vgl. unten Cap. XXIII. im

Irminon möge hier feine Stelle finden, er fagt p. 4 n. 3: On retrouve en la ossession de Yabhaye de Saint-Germain, sous Chariemagne, la plupart des iens qui lui avaient été donnes avant le temps de Charles Martel. Si

Yon faisait les mêmes. recherches relativement aux autres monastäres et

lises, il en resulterait peut-ötre la preuve que les 6tablissements ecel6siastigies nont pas &t6 autant depouils ‚qu’on le eroit gön&ralement. *) Roth, DW. ©. 3 9) Munchener hiſt. es für 1865, ©. 281.

Vom Kirhengnt. B 11

über den in den Händen der Kirche befindlichen Beſitz in Anſpruch genommen. !) Wohl Haben auch damals die Bisthümer und Klöſter zahlreiche Gütereinziehungen erfahren; aber es find doc immer mur vereinzelte Erſcheinungen, wie jie auch vorher und nachher vorgefommen und mit denen der König felbft wohl meiftens nicht in Verbindung zu bringen ift. Pippin war gleid) feinen Nachfolgern Karl und Ludwig ein Freund und Förderer der Kirche. Wenn zu Ludwig des Frommen Zeiten eine Gütereinziehung damit entſchuldigt wurde, fie fei von der Rothwendigleit geboten, ?) fie gefchehe mehr zur Vertheidigung als zum Raube, °) fo würde eine ſolche Rechtfertigung auch Pippin gebühren. Wie fpäter Ludwig gegen die Einziehungen feiner Söhne, t) fo ift er gegen ein ähnliches Verfahren Waifars von Aquitanien eingejchritten. °) Wie Ludwig war er bemüht, das Kirchengut wieder Herzuftellen; es befteht kein Unterſchied zwifchen feiner kirchlichen Richtung und ber- jenigen feines Enfels, welcher der Fromme genannt wird. 9)

') Roth, BW. ©. 350.

Vita Walae c. 8, Pertz SS. II. p. 548: quia respublica multis attenuata de causis per se sufficere non valet, nobis cum rebus ecclesia- stieis ... agendum est nosque auffragio facultatum eoram juvandi; Capit. & 8170.29, Pertz LL.I. p. 209: de his rebus, quae nuper necessitate cogente a nonnullis ecclesiis sunt ablatae.

®) Vita Walae 1. c.: ob defensionem magis quam ad rapinam.

“) Vita Ludowici c. 56, Pertz 88. II. p. 648.

°) ©. unten Cap. XXIV.

) Auch Pippin erhielt in fpäteren Jahrhunderten hin und wieder den Bei- namen Pius, jo in Ademari historiarum (c. 1025) lib. I. c. 56, Pertz SS. IV. p. 114: Franei ... voluerunt in regem elevare Pipinum Pium; lib. II.

- @ 1. p. 116: Karolus Martellus genuit Pipinum Pium etc.; regum Fran- corum catalogus (—1180), Pertz SS. X. p. 189: Pipinus Pius rex. Bl. Bait, BO. III. ©. 84. N. 4; Hahn, Jahrbücher ©. 9. N. 6, der bei dieſer Gelegenheit mit Recht bemerkt, daß der Beiname „ber Kurze‘ oder „Kleine“ ur- fprüngfich dem mittleren Pippin gegeben worden jei. Diefer heifit daher 3. ©. bei Avemar lib. I. c. 49, lib. II. c. 1: Pipinus Brevis, au; Pipinus Vetulus vel Brevis; ebenjo Nomina regum Francorum (—1180), Pertz SS. X. p. 188: Karolus Martelus, filius Pipini brevis staturae; regum Francorum cata- logus 1. c.: Pipinus Brevis. Die Webertragung des Namens auf König Pippin erfolgte doch ſchon us, Zeit mh Ademar, jo in den ann. jonenses min. (— 1064) ad a. 771, Pertz SS. V. p. 18: Karolus imperator filius Pipini parvi; in der. etwas fpäteren, trochaiſch geſchriebenen, Genealogia regum Francorum comitumque Flandriae vom Jahre 1120, Pertz SS. IX. p. 308, heißt es: Karolus quippe Martellus a Pipino nobili Genuit parvum Pipinum, patrem magni Karoli. Es ift wohl feine Frage, daß die Fabel von der Tödiung eines Löwen durch die Hand Pippins (ſ. unten Cap. X) die falſche Vorftellung von der KRörper- geſtait deſſelben hervorgerufen hat; las man doch ſchon in dem Buche des Mönchs von ©. Gallen, wie der König den primates exercitus, quod eum clancul despicientes carpere golerent, nad) vollbrachter That die Worte angerufen: Videtur vobis, utrum dominus vester esse possim? Non audistis, quid fecerit parvus David ingenti illi Goliath vel brevissimus Alexander procerissimis satellitibus suis? (Mon. Sangall. de Catolo Magno ‘lib. II. c. 15).

Bweites Gapitel.

Urkunden. 752.

Das Unterfceidende der beiden Herrfcher, in deren kirchlicher Gefinnung wir foeben volle Uebereinftimmung gefunden, zeigt fi in ganz anderen Dingen; insbefondere zeichnete ſich Pippin gleich feinem Sohne Karl auf das vortheilhaftefte vor Ludwig dem Frommen durch fein feloftthätiges Eingreifen in die Gefchäfte des ihm anvertrauten Neiches aus, und wir heben gewiß mit Recht als ein Beifpiel hierfür die oberrichterfiche Thätigfeit des Königs hervor. Während Ludwig die vor ihn gebrachten Klagen in der Regel von feinen Beamten unterſuchen ließ und auf deren Berichte Hin die Entſcheidung fällte, während unter feinen beinahe 400 vorhandenen Diplomen ſich daher feine einzige GerichtSurfunde findet, 1) fungirte Pippin zu wiederholten Malen als VBorjigender des Königsgerichts und bewies felbft durch eigene Ausjagen in jtreitiger Sache ?) feine eingehende Theilnahme an den Verhandlungen. Unter den 30—40 Konigsurkunden, die uns von ihm erhalten find, ?) Handeln drei, ſämmtlich das Klofter S. Denys betreffend, von folchen Gerichtötagen, welche er in eigener Perfon abgehalten. *

Es Täßt fih nicht angeben, aus welchem Anlaß die in Rede ftehenden Streitfachen vor das königliche Gericht gebracht worden find, ob unter Umgehung der gräflichen Jurisdiction, wie folde von Karl dem Großen ja einmal ausdrüdfich anbefohlen ward, °) oder im Wege

') Sidel, UL. ©. 358.

») Sickel P. 16: Et ipso domnus rex Pippinus adfirmabat etc. ®) Bon feinen Sausmaierurfunden abgejehen.

*) Sickel P. 16.

) Waitz, go. W. ©. 409. N. 2.

Urkunben. 13

der Appellation von dem Erkenntniß des erften Nichters, oder endlich in Foige eines befonderen Schutzes, deffen ji das Kloſter von künig- licher Seite zu erfreuen gehabt Hütte. 1) Der Wortlaut der Diplome ‚giebt Hierüber feinen Aufſchluß; ) nur der legte Fall ſcheint Hier nicht anwendbar, weil bis dahin von feinem, dem Kloſter S. Denye ertheilten, Mundbriefe verlautet.

Das gewöhnliche Verfahren war, daß ein Gegenftand, che er zur Kenntniß des Königs gelangte, dem Pfalzgrafen vorgelegt werden mußte, der darüber entſchied, ob die Sache vor den König zu bringen fei oder nicht. Ohne Zweifel gehörten in diefer Weife auch ftreitige Befigverhältniffe der Kirchen und Kloöſter zur Competenz bes Pfalz: grafen, und nur fireng geiftliche Angelegenheiten vor den Apofrifiarius ober Capellan des Königs.) Obwohl Fulrad von ©. Denys daher mit dem Amte des Apofrifiarius betraut war, *) werden doch auch feine Magen gewiß erft der Prüfung des Pialzgrafen unterbreitet worden fein, bevor fie im Gerichte des Königs felbft zur Entfcheidung gelangten.

In dem erften diefer Proceffe nun, welcher im Jahre 752 zum Austrag Tam,°) erjchien Abt Fulrad felbft, um wegen des Beſitzes der Billa Abaciacum °) im Gau von Le Mans, ?) fowie eines Theile der Billa Sibriacum im Gau von Madrie®) Beſchwerde zu führen. Eine Frau, Namens Joba, nämlich hatte durch zwei getrennte Ur- funden ?) die beiden Giter in Gegenwart des Königs Chilperich II. (715— 720) an das Kloſter geſchenkt. Trotzdem Hatte S. Denys, wie es fcheint, den Befig niemals angetreten; denn jet, nach mehr als 30 Zahren, Hatte noch immer. der Sohn Joba's, Gislemar, beide Schenkungen inne.

Als Pippin am 1. März 752 im Palafte zu Verberie einen Gerichtstag hielt, 1%) famen Hier gewiß auch noch andere Nechtöftreitig-

3) Davon ift gleich nachher bei Beſprechung der Urkunde für Anifola des Näheren die Rebe.

2) gl. Sickel, Beiträge zur Diplomatit II. S. 268.

®) Hincmar de ordine palatii c. 19 bei Walter, Corpus juris Germanici III. p. 766; vgl. Watt, BO. IV. ©. 415. N. 5.

+) Hinemar c. 15. p. 765.

3 Sickel P. 1. .

9 Durch ein Berfehen wird von Sickel, Acta II. p. 456, bei diefem Namen anf L. 141 ftatt auf P. 1 vermiefen.

?) In der Urkunde Heißt es einmal: in pago Cenomannico seu et Oximensi, iodaß beide Gane damals irgenbivie zufammengehört Haben müffen.

®) Süblid, von Evreur. In der Stelle, recognovit quod genitrix sua Joba ipsam villam superius nominatam Abaciacum cum omni integritate in pago Matriacensi ad casam sancti Dionysii manu potestativa condonasset, find nad) integritate offenbar die Worte seu et Sibriacum ausgefallen, wie fie fich gleich nachher in ähnlicher Verbindung wirklich finden.

Dgl. den Plural: inspectis ipsis testamentis.

?) Cum nos in Dei nomine Vermeria in palatio nostro una cum proceribus nostris vel fidelibus ad universorum causas audiendas vel recto judicio termi- nandas resideremus. Der Ort wird am Schluffe nah Art der meromwingifchen Placita unter den Rarofingern erſcheint e8 als Ausnahme nochmals genannt

14 Eapitel IL. 782.

feiten zur Verhandlung; wir erfahren jedoch nur, daß der- Abt Fulrad von ©. Denys damals gegen den ebenfalls anweſenden Gislemar feine, lage vorbrachte. Unter den Nichtern, welche dem König zur Seite ftanden, werden außer dem Pfalzgrafen noch ſechs mit Namen aufgeführt, darunter drei, welche auch in den fpäteren zwei Gerichte- verfammlungen genannt werden, Milo, Helmengaudus und Chrodhardus; die drei anderen jind Rotgarius, Charichardus und Autgarius; als Pfalz graf fungivt hier wie die zwei folgenden Male Wichertus !), fein Name fteht wie gewöhnlich Hinter denen der übrigen Beiſitzer. Außerdem aber ift von vielen andern Vornehmen und Getreuen die Rede, welche an der Entſcheidung Theil nahmen, offenbar Beamten und Vaſallen, die fi am Hofe des Könige oder in feiner Begleitung befanden. ?) Die Verhandlung war raſch zu Ende geführt. Nachdem man von den entjeheidenden Schenkungsurfunden Kenntniß genommen hatte, verzichtete der Beklagte auf jeden Einſpruch, erfannte an, daß feine Mutter die Vergabung mit vollmãchtiger Hand vorgenommen, über⸗ reichte dem Vertreter des Kloſters ein Pfand zum Zeichen der Weber gabe der Güter und befräftigte den Aft ſchließlich noch durch das urfränfifche Symbol des Halmwurfs. 9) Nachdem der Streit in ſolcher Weife erledigt war, *) blieb dem königlichen Gerichte nur übrig, auch feinerfeits zu Gunften des Rlofters das Endurtheil zu ſprechen °) und, wie gewöhnlich nach völliger Austragung des Procefjes, *) dem beiden Parteien in diefer Sache für alle Zeit Frieden aufzuerlegen. ?)

Die nod übrigen Urkunden des Jahres 752 betreffen die mannig- fachften äußeren Verhältniſſe geiftlicher Stifter. War das foeben erörterte Document eine Gerichtsurkunde, wie es fpäter genannt wurde, ein Placitum, fo liegen uns außerdem ein Mundbrief, ein Wahl- privilegium, eine Schenkung, ein Jmmunitätsdiplom, ja endlich auch noch eine Precarie auf Grund fünigliher Befürwortung vor.

Kaum zwei Monate nach der Gerichtsfigung zu Verberie, am 25. April 752 nämlich, erließ Pippin, während feines Aufenthaltes

(Dat. Kal. Martias anno primo regni nostri, Vermeria feliciter), und zwar, ebenfalls in merowingiſcher Weile, ohne actum, während dieſes Wort ſeitdem in der Datirungsformel der Diplome nicht Pr fehen pflegt; f. 3. 8. fhon im der nöcftfolgenden Urkunde Birnins, Sickel P. 3: Data mens. April. die 25. in anno primo regnante Pippino rege, actum ad Arestalio palatio publico. Bl. Sidel UL. ©. 363. N Bgl. Sidel, UL. ©. 361. Bol. Baig, 86. IV. ©. 419. ®) Lex Salioned. Waitz, das alte Recht der salischen Franken, it. 46.p.258. quia haec causa sic acta vel perpetrata fuit. ut... Fulradus abba vel successores sui ipsas villas . contra ipsum Gislemarum habeat evindicatas atque elidigatas. ) Bal. Sidel, UL. S. 362—363. ?) et sit inter eos in postmodum ex hac re omni tempore sopita causatio.

N

Urkunden. 15

zu Herftal bei Lüttich, für das Klofter Anifola oder S. Calais !) ein Diplom, ?) das mit anderen, nicht minder beglaubigten, Urkunden infofern eine befondere Wichtigkeit erlangt hat, als es zur Entkräftung unberechtigter Anſprüche diente, welche die Biſchöfe von Le Mans zur Zeit Ludwigs des Frommen auf den Beſitz des Kloſters erhoben und durch die dreifteften Falſchungen geftügt hatten. °)

Die Urkunde ift ſchon ihrer Form wegen interefant, *) weil diefe recht deutlich auf dem eben eingetretenen Wechfel der Dynaftien hinmeift. Wenn das oben befprodene Placitum für S. Denys fih noch ganz in den merowingifchen Formen bewegte, und zwar in höherem Grade, als diefe auch fonft in Gerichtsurfunden beibehalten wurden, ®) fo folgt der vorliegende Schugbrief für Anifola, obwohl er nur ältere Verfügungen beftätigt, doch einem ganz anderen Schema, als die drei früheren Diplome gleichen Inhalts von Childebert I., Chilperih I. und Theodorich III., deren drittes dem Jahre 674 angehört.) Vielmehr war in ber allerfegten Zeit des erften Königsgefchledhtes eine Formel entftanden, die auch ſchon in den Hausmaierurfunden der Arnulfinger begegnet ) und in gleicher Weile dem Schugbrief Pippins vom Jahre 752, dem erften Karolingerdiplom, das wir befigen, zu Grunde liegt, während die folgenden fid davon wieder entfernt Haben. Am bezeichnendften ift der Eingang. Während die Königsurfunden fonft mit dem Namen und dem Titel des Ausftellers beginnen, eine etwaige Anrede aber erft nachfolgt,“) geht Hier, wie in Privaturfunden, die Anrede dem Namen des Königs voran; °) der bisherige Titel inluster vir hat ſich noch nicht in den fortan allein gebräuchlichen vir inluster umgewandelt, und wenngleich Pippin hier nicht mehr wie noch im Jahre 748 die angeredeten Beamten des Reichs als feine Freunde

!) Casa sancti Carilefi; am Anille, Dep. Sarthe, nicht weit von Le Mars. Die Urkunde jagt: monast. Anisola, qui est in honore sancti Carilefi confessoris constructus in pago Cenomannico, in condita Labrocinse. Ueker bie nähere Ortebeftimmung in condita L., die aud) in einer Urkunde Karls d. Gr. (Sickel K. 22) wiederkehtt, ſ. Waitz, VG. II. ©. 276. N. 2, III. ©. 382. N. 1. Das celtiſche Wort condita entfpricht dem lateiniſchen centena und bezeichnet die auch im Gallien feit der fränfiihen Zeit herrſchend gewordene Eintheilung der Gaue in Heinere Diftrilte.

%) Sickel P. 3.

) ©. befonders Roth, Beneficialweſen, Beilage II: Die Acta episco- porum Cenomannensium.

+) Hiervon handelt Sickel, Beiträge zur Dipfomatit II. ©. 182—190.

Bal. Sidel, UL. $ 108.

) Sicel, Beiträge z. Dipl. II. ©. 188.

?) Bgl. den Schugbrief Pippins für Honau vom Jahr 748: Pardessus II. m 599. p. 412.

®) Bgl. 3. 8. Sickel P. 7: Pippinus rex Francorum vir inluster Bonifatio archiepiscopo etc.; P. 8: Pippinus r. Fr. vir illuster omnibus ducibus comi- tibus etc.

®) Domnis sanctis ... episcopis et abbatibus, comitibus, domesticis .. . inluster vir Pippinus rex Francorum bene cupiens vester.

16 ° Capitel IL. 752.

bezeichnet, ) fo find doc die ziemlich gleichbedeutenden drei Schluß- worte 2) ftehen geblieben, welche feitdem ebenfalls nicht mehr wieder⸗ fehren. Die Ausfertigung erfolgte duch den Kanzler Chrodingus, der fonft nicht wieder vorfommt. *)

Der Inhalt ift ein doppelter. Zunächſt wurde dem Abt Sigobald und der ganzen Congregation von Anifola auf Grund freiwilliger Commendation *) von neuem, doch ohne Bezugnahme auf die drei früheren Mundbriefe, der königliche Schuß ertheilt. Ein folder Schuß bezog ſich zumeift auf das Eigenthum des N lofters an Perjonen und Sachen, ftand daher eigentlichen Beſitzbeſtätigungen ziemlich nahe; 5) nur beruhten die legteren auf einer forgfältigen Prüfung des Beſitz⸗ rechts, ftelften dieſes alfo durch die Confirmation außer Zweifel, während der königliche Schuß feine derartige Garantie für den ganzen Umfang der Befigungen, fondern nur Sicherheit gegen Gewaltthat und Unrecht gewährte. Freilich Hatte darauf eigentlich jeder Stantsunterthan An- ſpruch, und e8 war Sache der Behörden, insbefondere der Gerichte, dieſem Anſpruch in jedem einzelnen Falle zu genügen. Allein der Konigsſchutz bot, durch ein weſentlich vortheilhafteres Gerichtsverfahren, folhe Sicherheit in erhöhtem Maße. Denn in dem letzten Sage folder Mundbriefe concentrivt fich ihr vornehmlichfter Gedanke; da heißt es: „und follten gegen die Aebte des Kloſters oder die Leute deſſelben ſolche Proceſſe anhängig gemacht fein, welche im Gaugericht nicht ohne ihren Schaden nad) Vorſchrift und Vernunft entjchieden worden, fo follen diefelben unter allen Umftänden aufgejchoben und ung vorbehalten fein, damit jene nachher vor uns nad) Recht und Gerechtig- feit ihr Urtheil empfangen.) Man Hat diefe Worte nicht ganz ' richtig dahin ausgelegt, daß den Mundleuten ein unbefchränfter, von den fonftigen Formalitäten befreiter Rechtszug an das Hofgericht ge- währt worden fei;?) denn es ift in dem ganzen Satze von einer Berufung, von einem Schelten des erften Urtheils nichts gejagt. Der Sinn ift vielmehr, daß ein den Mundleuten ungünftiges Urtheil erfter Inſtanz, aud wenn die Richter den Vorfihriften des Gejeges ent- ſprochen Hatten, an und für ſich ungültig fein follte. Wenn fonft ein

2) In der oben ©. 15. N. 7 angeführten, Urkunde heißt es: vel omnibus agen- tibus seu junioribus seu successoribus vestris seu amicis meis seu omnibus missis meis discurrentibus.

) S. oben ©. 15. N. 9: bene cupiens vester.

®) Sidel, U. ©. 76.

+) de sua propria potestate semetipsum et illam congregationem sanctam, quam in regimen habet, et omnes res eorum in manu nostra plenius com- mendarvit.

3) Bol, Side, Beiträge 3. Dipl. II. ©. 247.

®) Sickel P. 8: si tales causae adversus abbates ipsius monasterii ab hoste [muß Heißen: oborte] fuerint aut de homines suos surrexerint, quas in pago absque suo dispendio recte et rationabiliter definitas non fuerint, eas usque ante nos omnimodis sint suspensas vel reseratas ſlies: reservatas].

?) Sidel, Beiträge III. S. 268.

Urkunden. 17

Spruch der erften Inſtanz, fobald feine Appellation erfolgt, Rechtskraft erhält und feinem höheren Gerichte weiter zur Prüfung vorgelegt wird, fo bedurfte es in diefem Falle gar Feiner Berufung von Seiten der unterliegenden Partei, um den Ausſpruch umzuftoßen. Der Richter ſelbſt, d. 5. der Graf des Gaues, hatte die Streitfrage als unerledigt dem Könige zu unterbreiten; diejer allein war befugt, eine Entſcheidung "zu Ungunften feiner Schugbefohlenen zu fällen.

Der zweite Gegenftand, welcher den Vorfteher des Kloſters Anifola veranlaßt hatte, am koniglichen Hoflager zu Herftal zu erfcheinen, betraf die Abtswahl. Sigobald erbat für die Mönche das Recht, bei feinem und feiner Nachfolger Tode aus eigner Mitte einen nenen Abt zu wählen, feinen andern fi aufdrängen zu laſſen. Diefelbe Urkunde, welche von der Aufnahme des Klofters.in das königliche Mundium handelt, berichtet auch über diefes Gefuh; und während fonft die Gewährung mehrerer Begünftigungen, auch wenn fie gleichzeitig geſchah, lieber in getrennten Diplomen ausgefprocden wurde, find Hier beide Verfügungen in Ein Document zufammengefaßt.- Der Schreiber des Diploms, Chrodingus, mußte die übliche Formel des Schugbriefes daher durch einen Zufag erweitern, und es ift ihm mit Recht als Unbehoffenheit ausgelegt worden, !) daß er zwar die Bitte um Wahl- freiheit, aber nicht auch die Bewilligung derfelben in das Scriftftüd aufgenommen. Denn daß diefe erfolgt ift, unterliegt feinem Zweifel; wäre es nicht gefchehen, fo hätte der Verfaffer dies gewiß nicht unge- fagt laſſen können oder er hätte auch über das Geſuch gefchwiegen. ?)

Von Anifola, das, durch feine Commendation in den Schub Pippins, den eigentlich königlichen Klöftern wenigftens zeitweilig gleich- geftellt war, werden wir num zu einem Inſtitut der letzteren Art binübergeführt: zu dem Salvatorflofter in Prüm nämlich, ) das durch önigliche Stiftung auf königlichem Grund und Boden entftanden war. Gehörten die Stifter S. Denys und ©. Calais Neuftrien an, fo lag Prüm auf auftrafifhem Gebiete, in der Stammlandfchaft des faro- lingiſchen Hauſes. Am Südabhange der Schneeeifel, wo jest eine Heine Kreisftadt des Regierungsbezirls Trier den gleihen Namen führt, erhob fid) damals, von Pippin und feiner Gattin Bertrada ge- gründet, die Benedictinerabtei Prüm. Schon vorher Hatte dafelbft, an der Grenze des Ardennen- und Bidgaues, t) die Villa Prumia

1) Sidel, Beiträge IT. ©. 190. ) Schon der Uebergang, Propterea litteras nostras .... eidem dedimus, weiſt rau bin, dub den Wünfchen des Kloſters entſprochen worden iſt.

4) Bol. Dirlrhentiſqheo urtundenbuch I. Ne 16 (Sickel P. 20): infra terminos bidense atque ardinne; aljo nit in pago Muslinsi, wie Sidel P. 4) ſchreibt.

Jahrb. d. diſch. Geſch Delsner, König Pippin. 2

18 Capitel U. 752.

beftanden, fo benannt von dem Flüßchen Prüm, mit. welchen fih an diefer Stelle der Dethinbach vereinigt ') und welches in fübliher Richtung der Sauer (Sure) aufließt, die oberhalb ber Stadt Trier, der Saarmündung gegenüber, fich in die Mofel ergießt. Im Jahre 720 war hier bereit von einer Frau Bertrada oder Berta und ihrem Sohne Charibert, ohne Zweifel der Großmutter und dem Vater der Gemahlin Pippins, die übrigens fehon damals dem arnuffingifchen Geſchlechte nahe jtanden, ?) der Grund zu einer Föfterlihen Anfiedlung gelegt worden; ®) allein dieſe Stiftung muß innerlich und äußerlich in Verfall gewejen fein, denn Pippin befchränfte ſich nicht darauf, ein neues Gebäude zu errichten, er bevöfferte e8 auch mit Mönchen, die er aus der Ferne herbeirief. 4 Wie er felbft fagt, daß er mit feiner Ge— mahlin auf eigenem Beſitzthum bas Kloſter gebaut, 3) ſo ſprechen dies auch feine Nachfolger mit aller Beſtimmtheit aus. °) ALS die Zeit der Gründung hat man früher das Jahr 762 betrachtet und die damalige Schenkungsurkunde irrigerweife als Fundationsdocument auf gefaßt; ) doch die Schenkung Pipping aus dem erften Jahre feiner Regierung, die freilich erjt vor einem Jahrzehnt befannt geworden, ®) beweift, daß die Stiftung wohl ſchon in die legten Jahre feines Major- domats zu jegen ift. Pippin hatte die Kirche des Klofters mit Reliquien von Jeſus und Maria, von Petrns und Paulus, von Johannes dem Täufer und den Martyrern Stephanus, Dionyſius, Mauricius, den Belennern Martinus, Vedaſtus und Germanus auszuftatten gewußt; *) und da fchon die erjte Gründung vom Jahre 720 heilige Meberrefte von Maria, Petrus, Paulus, Johannes und Martinus aufzuweifen gehabt, 10) fo waren diefe wahrfcheinlich aus dem alten Stift in das neue hinübergerettet, allerdings durch Reliquien Jeſu 1) weſentlich ver- mehrt worden. Daher der Name S. Salvatorflofter, der ſeitdem

?) Beger a. a. D.: ubi rivulus qui dicitur dethenobach ingreditur in

rumiam.

2) &. befonders Hahn, Jahrbücher, Ercurs I. S. 151—158.

Per 8; Migne Patr. lat. LXXXVIII. col. 1274.

Daj. N’ 16: atque ibidem monachos constituemus; 10: monachi, quos ibidem instituimus.

5) Daf. 16: notum est. „nos et conjuge nostra Bertradane monasterium in re proprietatig nostre aedificare; 10: monasterium novo construximus opere; ebenjo 17. 18.

*) Rarl d. Gr., Sickel K. 126: monasterium ... quod b. m. domnus ac genitor noster Pippinus quondum rex necnon domna et genetrix nostra Berterada regina novo opere a fundamentis ... visi sunt construxisse; ebenfo Beyer N°37 u. a, m. Auqch Ludwig der Fromme, Sickel L. 151, jagt, daß Pippin an das Kloſter in rebus proprietatis eorum ex Tundamento con-

uxeruni

ww) Dal. Ne 16: de scandaliis domni nostri J. Chr.

Urkunden. 19

herrſchend wurde und erft 75—100 Jahre fpäter den Zufag et s. Mariae zu erhalten pflegte. *) -

Die Mönde, welche Pippin in die neue Stiftung einführte, famen, wie gejagt, aus der Ferne: e8 war eine Colonie des Klofters - ©. Faron bei Meaur, welche ſich Hier niederließ ?) und, wie wir fpäter jehen werden, den Zufammenhang mit den Brüdern in der Heimath nicht verlor.) Auch Abt Affuer, der jedoch erft 762 ge- nannt wird, ftammte offenbar aus galfiihem Gebiet. Im Gau von Anger? nämlich lagen zwei Villen, die einft das Eigenthum feiner Großmutter gewefen, von diefer aber dem Könige Pippin übertragen worden waren und in Karls des Großen Tagen von Aſſuer als groß- mütterlihes und mütterliches Exbe in Anfprud genommen wurden. *) Andere feiner Verwandten Hatten in bderfelben Gegend durch Feind- feligkeit gegen den Staat ihre Befigungen verwirft.5) So dient Affuer als ein bemerfenswerthes Beiſpiel, wie Pippin gegnerifche Tamilien nad) Ueberwältigung ihres Widerftandgs in feinen Kreis zu ziehen und an fein Intereſſe zu feſſeln wußte. Denn als ein Zeichen der Verfühnung muß es erfcheinen, daß Afjuer Abt eines königlichen Kloſters wurde und daß die greife Theodelhildis dem Könige ihr Gut übergab; und es gewinnt ſonach wohl eine beftimmtere Bedeutung, wenn das große Diplom vom Jahre 762 die Fortdauer des Fünig- lichen Schutzes an die Bedingung fnüpft, daß die Monche Pippin und feinen Erben die Treue bewahren. ©)

Doch fehren wir vorerft zu der Urkunde des Jahres 752 zurüd. ?) Sie ift am 27. Mai zu Wereftein, einem fonft unbefannten Orte, erlaffen mie aud) zwei der fpäteren Urkunden Pippins für Prüm ihre Angftelungsorte fonderbarerweije mit unerflärlichen, offenbar ver- derbten Namen, Trisgodrog und Inaslario, bezeichnen.?) Die Schenkung, welche den Mönchen zum Unterhalt und zur Erquieung, °) dem Könige

3) Bol. Sickel, Acta II. S. 212, wo bie Worte vel s. Mariae in P. 4 deshalb für eine Interpolation des fpäter Iebenden Copiften gehalten werben. In den 4 Urkunden v. 762 u. 763, Sickel P. 19. 20. 22. 28, Heißt, Prüm nur monasterium sancti Salvatoris.

?) Beyer 16: de congregatione domni Romani et Vulframni epi- scoporum, quos modo in hoc coenobium s. Salvatoris congregavimus; vgl. Gallia christiana VIII. col. 1688, Ein Mönd Egidius ſchenit dem Klofier im Sabre 765 feine Alisungen in den Gauen von Le Mans, Rouen und Angers: Beyer 19, Migne Patr. lat. XCVI. col. 1652.

9) ©. unten Cap. XXV.

+) Urkunde Karla vong 17. Februar 797, Sickel K. 150.

) Daſ.: cum aliis rebus, que propter infidelitatem aliquorum hominum parentumque suorum in fisco redacte fuerant.

%) Beyer N 16: dum ipsi monachi regulariter et fideliter ad parte nostra vel heredum meorum ibidem conversare videntur.

”) Wegen der angeblichen „Stiftungsurkunde” vom Jahre 762 meint Görk a. a. D., es fei flatt anno primo regni ipsius domni Pippini regis vieleicht richtiger a. XI. zu leſen.

i) Sickel P. 20. 22. Statt Wereftein vermuthet Görz Heriftal.

°) usibus eorum et refectioni.

20 J Capitel II. 762.

ſelbſt und ſeiner Gemahlin zu dauerndem Gedächtniß gereichen ſollte, betraf das Recht der Fiſcherei im Moſelgau, und zwar erſtens im Gebiete der königlichen Dörfer Mehring und Schweich, ) welche unter- halb Triers am linken Mofelufer liegen; zweitens noch weiter fluß- abwärts, gleich hinter Neumagen, ®) an der Stelle, wo die Drohn von der rechten Seite Her ſich in die Mofel ergießt.) Hier wie dort ſollten die Kloſterleute, an beiden Ufern des Fluſſes, den Fiſchfang treiben und, wo es dem Abt beliebte, ein Wehr anlegen dürfen. *) Dazu bekamen fie drittens noch die Erlaubniß, auch in der Drohn an einer Stelle, deren Wahl ihnen felbft überlaffen wurde, eine Fiſcherei anzulegen. 5)

Wir gedenken am beften bier noc zweier anderen Schenkungen Pippins an Prüm, von welchen weder das Datum noch aud ein Document erhalten ift, auf welche vielmehr nur in fpäteren Urkunden Bezug genommen wird, Die erfte derfelben betraf einen Wald in der Nähe des Kloſters, ©) die andere die Anlegung einer Fiſcherei fern von Prüm felbft, an dem Nheinufer des Dorfes Nedarau bei Mann- heim. ?) Vielleicht hängt die zweite diefer Vergünftigungen mit der Mebertragung ber Celle zu Altrip zufammen, von welcher das Diplom des Zahres 762 meldet. ®)

Vier Immunitätsprivilegien, die zum Theil in vollftändigem Wortlaut, zum Theil nur im Auszuge vorhanden find, mögen gleich” falls hier angereiht werden, obwohl grade die drei volfftändig erhaltenen ganz ohne Datum, da8 vierte aber ohne fichere Datirung geblieben ift.

Wir beginnen mit der Urkunde für Echternad) (Epternacum), jenes Schwefterffofter von Prüm, gleich diefem in der Nähe von Trier,

4) infra terminos villarum nostrarum Marningum et Soiacum.

*) juxta castrum quod Noviacum dicitur.

®) ubi Drona influit in Mogellam.

*) ad piscandum, ad vennas faciendum. Venna = franz. vanne; Dr ange VI. p. 765: Septum ad intereipiendos pisces. Cine Gloffe vom Jahre 1222 fagt (Beer 22): Venna est instrumentum sumptuosum et satis utile, unde pisces capiuntur, quod instrumentum appellamus wer.

°) Donamus etiam in fluvio Drahocne ala capturam piscium etc., von Sidel (P. 4) nicht erwähnt.

°) Sickel L. 101, 816 8. November. Die Möndje adierunt serenitatem nostram retuleruntquie qualiter [Pipı pinns aus nogter] inter ceteras dona- tiones quendam waldum ibidem coı

?) Urt. Ludwigs IT. ge Deutichen) vom 15. Februar 871, Beyer N’ 113: piscationem et vinnam domnus Pippinus rex cum terminis supra fluvium Rheni consistentibus de villa Naucravia concessit ad monast. Prumise per suae auctoritatis praeceptum. Bgl. Sigkel, Acta deperd. p. 379; daj. p. 212 wird die Urkunde Suhmige irrigerweiſe als Beflätigung von P. 4 bezeichnet.

®) Beyer tradimus ... cellam jure Proprietatis nostre in loco qui dieitur Alto, super Auvium Reni in pago Spirinse. Altrip liegt in der Pfalz, bei Mutterftadt, alſo ebenfalls nicht weit von Mannheim.

Urkunden, . 21

im Bidgau, gelegen, gleich diefem eine karolingiſche Bamilienftiftung, aber älteren Urfprungs, denn cs fnüpfte fi daran das Andenken Pippins des Mittleren ſowie das des heil, Willibrord, deffen Grab- ftätte das Kloſter war. Für das Datum der Urkunde *) bietet auch der Name des Abtes, auf deſſen Geſuch fie der König ertheilt Hat, feinerlei Anhaltspunkte; denn Albert, Willibrords unmittelbarer Nad;- folger in der Abtei, verwaltete das Stift 37 Jahre lang, alfo feit den Tagen Karl Martells bis in die Regierungszeit Karls des Großen hinein.) Der Umftand, daß fie jedenfalls Pippins Königszeit ange hört, verpflichtet uns, an welcher Stelle aud immer, ihren Inhalt anzuführen. Es ift aber einerjeits die Betätigung früher ertheilter und bisher in Geltung gebliebener Immunitätsprivilegien, 9) andrer- ſeits die Zuſicherung jenes königlichen Mundiums, das wir bei Be— ſprechung des Diploms für Anifola genauer zu charakteriſiren verfucht haben. Wiederum findet ſich alfo die Schugertheilung mit einer anderen Beitimmung vereinigt; wie oben mit der Bewilligung freier Abtswahl, ſo Hier mit der Immumitätsbeftätigung. Beide Verleihungen aber, die Immunität und die Defenfion, wurden Echternach, wie allen föniglichen Klöftern, auf Grund diefer feiner Qualität zu Theil.)

Die Immunität allein Konnte auch den felbftändigen geiftlichen Hnftituten zuerkannt werden, und als folche erfcheinen die Klöſter Murbady und Corbie. > J

Das Kloſter Murbach im Elſaß war im Jahre 726°) von dem heil. Pirmin auf Veranlafjung des Grafen Eberhard und auf deſſen Grund und Boden geftiftet worden. 6) Es Hatte den Namen Vivarius- peregrinorum erhalten, hieß aber auch damals ſchon Murbach,“) wie

!) Sickel P. 34; zum erften Male edirt von Sidel, Beiträge zur Diplo- matit V. ©. 390. Eine unechte Schenlungsurkunde Pippins für Echternach (Sickel, Acta spuria p. 407) trägt da8 Datum: tertio nonas mai. anno i. d. 752, indict. 4, anno vero d. Pippini regis tertio (Beyer I. 11).

®) Sickel, Acta II. &. 220—221.

ueber das Weſen der Immunität ſ. Waitz, BG. IV. ©. 243 fj.; Sidel, Beiträge 3. Dipl. III. ©. 175 fi.; beſonders aber deffelben Beitr. z. Dipl. V. ©. 311—380: die Immunitätsrehte nad) den Urkunden der erſten Karolinger bis zum Jahr 840.

+) Bgl. Sidel, Beitr. z. Dipl. I. ©. 216.

°) Rettberg, IL. ©. 88.

Das Diplom Theodorichs IV. vom Jahre 727 jagt (Migne Patr. lat. LXXXVIII col. 1144): Perminus gratia Dei episcopus nostris temporibus cum monachis suis ... monasterio virorum in heremi vasta, quae Vosagus appel- latur, in pago Alsacinse in loco qui vocatur Vivarius-peregrinorum, qui antea appellatus est Muorbach, in alode fidele nostro Rbon lo comite, cum ipsius adjutorio ... conatus est constituere; der Biſchof Widegern von Straßburg (daf. col. 1282): vir inluster Eborhardus quomis ... infra nostra parrocia ... cum Dei adjutorio et nostro conailio monastyrio in suo pro- prio a novo aedificare conatus est, ad quod evocantes Perminis episcog cum suis peregrinis monachis ibidem cynobio vel sancto ordene sub regul beati Benedicti, Dei gratia et nostro adjutorio, perficere deberent. J

.) Bertaufsurkunde vom Jahre 780 (Migne 1. c. col. 1285): de mona- sterio quod vocatur Maurobaccus ... actum Marbach monasterio.

22 Eapitel II. 762.

der Fluß, an weldem es fag,?) und wie fhon vor der Gründung des Stift8 der Ort genannt war. Als Schugheiliger deffelben erſcheint, neben Maria, Michael, Petrus und Paulus,?) insbefondere der Martyrer Leodegarius, ein Vorfahr des Stifters.“) Schon Theodorich TV. hatte auf Bitten Pirmins und des Grafen Eberhard dem Kloſter im erften Jahre feines Beſtehens die Immunität verliehen, +) die nachfolgenden Herrſcher dies Privilegium erneuert. Eine gleiche Beſtätigung ber bisherigen Immunität erbat ſich jegt der Abt Baldebert von König Pippin, indem er ihm die Urkunden der Vorgänger zur Einfihtnahme vorlegte. Pippin genehmigte das Gefuch, wobei er, gleich Theodorich, den Grafen Eberhard als Wohlthäter des Kloſters befonders hervor- 506.5) Für die Ansftellungszeit des Diploms ift hier infofern die Grenze enger gezogen, als der Abt Baldebert, den Annalen des eigenen Kloſters zufolge, 6) ſchon im Jahre 762 ftarb. Derfelbe führte auch den Bifchofstitel,?) und es feheint fein ftihhaltiger Grund vorhanden, an feiner Zdentität mit dem Biſchofe Baldebert von Baſel zu zweifeln. °) Auch die zwei nächftfolgenden Aebte, Haribertus und Amicus, erhielten in den Jahren 772 und 775 von Karl dem Großen eine Beftätigung der Immunität.?) Aus einer Urkunde Ludwigs des Frommen aber erfahren wir, daß feit den Zeiten Pippins, offenbar auch in Folge - feiner Verfügung, freie Leute dem Kloſter untergeben waren, d. h. demfelben alle diejenigen Leitungen zu entrichten hatten, welche fonft der Fiscus in Änſpruch nahm. 1%) Im einer noch fpäteren Urkunde wird die Zahl diefer Freien auf fünf, ebenfo ihr Wohnfig genau an- gegeben, auch Hinzugefügt, daß Pippin zugleich das Kloſter Luzern (Luciaria) an Murdach geſchenkt Habe. 1)

) Sickel P. 21: de monasterio Vivario-Peregrinorum, qui ponitur in pago Alsasense super fluvium Morbac. %) Bot. bie Diplome Theodorihs IV. (S. 21 N. 6) und Bippins (Sickel P. 21). ») Rettberg DI. ©. 89.

+) ©. oben ©. 21. N. 6.

5) Sickel P. 21.

*) Pertz SS I. p. 28—29 zum Jahre 762: Baldebertus obiit, Haribertus abba ordinatus est.

?) Schöpflin, Alsatia diplomatica ne 32.

®) Diefer Meinung ſcheint aud) Rettberg IL. ©. 93; Sickel, Acta II. ©. 218, erklärt ſich in entgegengeſetztem Sinne Allein daß der Convent von Attigny, auf welchem auch Baldebertus episcopus civitas Bagelae erichien, in das Jahr 765 gehöre, ift mar Vermuthung (j. unten Excurs II. $ 8). Daß Murbad) aber dem Bistum Straßburg untergeben war, was wir überdies nur aus der Zeit Widegerns (f. oben ©. 21.6) mit Beftimmtheit wiffen, konnte ber Erhebung feines Abtes zum Bifhof von Bafel doch Yaum binderfich fein. Grade daß die Lönigl. Urkunde ihn nur als Abt bezeichnet, fpricht gegen die Meinung, wonach er ſchon um jeineg Kloſteramts willen den Biſchofötitel geführt Habe. Auch jheinen mir bie Privilegien Theodorichs und Widegerns, jo beſonders des Letzteren Worte (Migne In sol 100), si de se erlernen habent, eine, vegelmäßige Verbindung ber iſchöflichen Würde mit der Abtitele eher auszufchließen, als vorauszuſetzen.

y Sickel K. 8. 40, s '

3 Sickel L. 92. “) Diplom Lothars vom Jahr 840: Sickel, Acta II. p. 876.

1.

Urkunden. 23

Das Kloſter Eorbie an der Somme, zum Gau von Amiens gehörig, war urfprünglic zwar eine königliche Stiftung, von Balthe- childis, der Mutter Chlothars IT., gegründet.) Doch fcheint diefe Qualität mit dem Ende des meromwingifchen Geſchlechts erlojhen zu fein; wenigftens deutet in dem Pippinifchen Diplom *) nichts auf eine folche Hin. Die Beftimmungen defjelben aber betreffen eine Immunitäte- beftätigung, welche fi auf die von dem Abte Leodegarius vorgelegten Diplome der merowingifchen Könige Childerich II., Theodorich IIL., Chlodwig III., Chifdebert IH. und Dagobert III. gründete. ®)

Anders verhält es ſich mit S. Wandrille (Fontanellense coeno- bium), einem Nachbarftifte von Corbie, an der Seine unterhalb Rouen's gelegen.) Daß freilich Wandregifil, der Erbauer und erfte Abt des Kloſters, ebenfo wie zwei Nachfolger deffelben, Hugo und Wido, Ver- wandte der arnulfingifchen Familie waren, 5) reicht wohl faum Hin, es als karolingiſche Stiftung zu-bezeichnen ; entſcheidender aber für feine

. Qualität ift die glaubwürdig erzählte Thatfahe, daß Karl Martell,

indem er dem Kloſter die Immunität ertheilte, es zugleich in feinen befonderen Schu genommen. °) Offenbar weil dies nur in Folge einer Commendation gefchehen war, hielt man es für gut, Pippin um eine gleiche Maßregel zu bitten. ?) Und fo begegnen wir denn in . dem Privilegium Pippins für S. Wandrilfe abermals einem Diplom, '

da8 zugleich eine Immunitäts- und Schugertheilung ift.?) Die Ver- fügung wurde in der Königlichen Pfalz zu Verberie am 6. Juni er- laſſen; für das Ausftellungsjahr gewährt die Amtszeit des Abtes Auftrulph, welchen Pippin das PBrivilegium ertheilt Hat, ?) den nächſten

Kr das Dipfom Chlotars vom Jahr 660, Migne Patr. lat. LXXXVII. j * Sickel P. 83; zum erften Male herausgegeben von Sidel, Beitr. z. f. V. ©. 389.

col.

) Schon im März 769 ſteht das Kloſter unter einem andern Abte, Namens Hado, vgl. Sickel K. 3. Als Vorgänger Leodegars kennen wir Grimo, einen der Gefandten, welde Karl Martell kurz dor feinem Tode auf den Hilferuf Gregors III. nad; Rom ſchickte: Fred. cont. c. 110.

3— Val. darüber Sickel, Acta II. p. 867. -

®) Gesta abbatum Fontanellensium c. 1. 8. 11, Pertz SS. IL. p. 271. 280. 284.

%) Dal. c. 9. p. 281-282: Lando impetravit a Carolo prineipe privi- legium immunitatis perennis, in quo continetur, quod coenobium istud sub sua defensione ac tuitione idem princeps specialius receptum haberet .. . quatenus res istius coenobii universaque sua salva esse valerent nec a quo- quam diripi aut contaminari vel in aliquo laedi quocungue possent ingenio.

”) Bol. Sidel, Beitr. zur Dipl. III. ©. 218.

®) Die Gesta abb. Font. c. 14. p. 289 geben von diefer wie von anderen Urkunden des Kloſters einen zuberläffigen Auszug; danach befahl Pippin, ut nullus judex neque exactor reipublicae gentis Francorum, ad causas audiendas ac freda exigenda nec fidejussores-aceipiendos nec ad ullam exacturam geren- dam potestatem hujus coenohii ingredi audeat, sed sub perenni sua defen- sione ac protectione secura in aeternum ab omni querimonia valeret permanere,

®) Daf.: Austrulpho edidit gloriosus rex Pipinus privilegium ete.

24 Eapitel IL. 752.

Anhalt. Aufteulph nämlich war in den legten 40er Jahren auf bie Bitte feines erblindeten Vorgängers und aller Kloftergenoffen von Pippin zum Abt erhoben worden, nad) furzer und rühmlicher Thätig- feit aber zu dem unwiderſtehlichen Entfchluffe gelangt, andachtshalber nach Rom zu reifen. Gleich Wilicarius von Vienne, der das Biſchofs- amt niedergelegt Hatte, und offenbar auch gleichpeitig mit ihm, traf er unter dem Pontificat Stephans IL. in Rom ein; N auch ihn führte nad Verrichtung der Andacht der Rückweg zum Kloſter ©. Maurice an ber oberen Nhone. Während Wilicarius aber die Leitung diefes Kloſters übernahm, erlag Auſtrulphus dafelbft einem Fieber, an welchem er bereit8 Tängere Zeit gelitten Hatte. Sein Tod erfolgte am 14. September, ?) und zwar kann dies weder vor 752 gemejen fein, da Stephan II. erft im März diefes Jahres den päpftlichen Stuhl beftieg, noch auch nad) 752, da fchon vor dem 1. Sept. des nädhften Jahres Wido feine Stelle inne hatte.°) Die Urkunde Pippins . für ©. Wandrille kann mithin nicht nad) dem 6. Juni 752 ausgeſtellt worden fein; allein ihr dieſes Datum felbft zu geben, hat doch feine Bedenken. Auftrulph Hätte dann, felbft wenn er unmittelbar nad Empfang des Privilegs feine Wallfahrt antrat, im einem Vierteljahre diefelbe volfendet Haben müffen. Zudem nennt der Verfaffer ſelbſt ausdrücklich das Jahr 750; *) er fügt zwar Hinzu, in demfelben Jahre jei Pippin zum König eingefet worden; allein der Zufammenhang der beiden Sätze fcheint doch zu Iofe, als daß in diefen Worten die Umfhreibung einer urfundfichen Angabe, wie etwa „im erften Jahre der Regierung Pippins,“ erfannt werben dürfte.) Auch bezeichnet der Autor ja vorher und nachher wiederholt das Jahr 752 als die Epoche der Thronbefteigung Pippins. Es wäre daher nicht unbe gründet, das Privilegium von ©. Wandrilfe in die Zeit des Major- domats zu verweilen. Der Verichterjtatter fagt allerdings, „der glor- reihe König” Pippin Habe das Privileg ertheilt, und dieſes Wort

1) Gesta abb. Font. c. 14. p. 290: Perveniens Romanae urbis ad arces tem- pore Stephani papae; Adonis archiep. Vienn. chronicon, Pertz SS. II. p. 319: Wilicarius, relicta Viennensi sede, Romam primum abiit ibique papae Stephano notus efficitur.

%) Gesta p. 290: 18. kal. Octobrium.

Daf.: ann. Dom. 753, indictione 6. Seiten Angaben defjelben Ber- faſſers zufolge, wonach Wido sub a. D. 787, ind. lecimo octavo kal. Oct. (am nämlicen Tage, wie einft Auftrulph) re er das Kloſter 35 Jahre, 8 Monate und 13 Tage geleitet hatte (p. 290. c. 15), müßte freilich fein Amtsantritt ſchon in den Febr. 752 gefegt werben, womit fi nicht vertrüge, daß Auſtrulph zur Zeit Stephans nad, Rom gefommen. Es ift auffallend, daß ein Autor, der fo gern rechnet, fo ſchlecht vechmet. Wir werben dies ſogleich durch feine Angaben über die Regierungsepoche Pippins beftätigt finden; ein anderes Beifbiel if, daß er von 742—747 7 Jahre zählt (cap. 18—14. p. 286—288.).

*) Daf. p. 289: Editum est anno dom. incarn. 750, die 8. iduum Juniarum, Vermeria palatio regio. Quo anno idem gloriosus princeps Pipinus .... rex constituitur Francorum, ablato principis nomine.

5) Pertz weift bei Quo anno auf das Quo tempore ber Fortjegung Fredegars hin.

Urkanben. 25

würde den Ausfchlag geben, wenn in der Schrift, wie es oft wirklich den Anfchein hat, zwifchen dem Zürften Pippin und dem Könige Pippin immer forgfältig unterfchieden wäre. Dem ift jedod nicht fo; denn in der Erzählung eines Vorganges unmittelbar nad) feines Vaters Tode wird er doch auch ſchon König genannt!) Die Frage nad dem Datum der Urkunde wird fi demnach, fo lange e8 an weiteren Hulfsmitteln fehlt, nicht mit Beſtimmtheit entfcheiden Tafjen. ?)

Zum Schluffe unferer Diplomenlefe finde Hier ausnahmsweiſe auch noch eine Privaturfunde, wegen des befonderen Intereſſes, das ſich an fie Fnüpft, eine nähere Berüchſichtigung. Wie wir im erften Capitel dargethan, ift auf den Neichsverfammlungen zu Leftines und Soiffons ein Theil des zur Reftitution beftimmten Kirchengutes im Intereſſe der Kriegsmannſchaften zurüdbehalten und in Form von Precarien denfelben überwieſen worden. Merkwürdig genug ift von den ſchriftlichen Verträgen, welche hierüber ausgefertigt werden mußten, nur ein einziges, ſchon oben®) erwähntes, Document übrig geblieben, welches, zu Ye Mans im eriten Zahre Pippins, alfo 752, ausge fteltt, *) einen vollgüftigen Beweis dafür Liefert, daß die Ausführung jenes Reichsbeſchluſſes auch noch nad Jahren nicht ins Stoden ge- rathen war. 5) Die Urkunde betrifft mehrere Güter des damals unter der Leitung des Ganziolenus ftehenden Bisthums Le Mans, ©) welche, ohne Zweifel einft rechtswidrig entfremdet, auf Befehl des Königs der Kirche wieder zurüderftattet werden follten, von derſelben aber einem Marne, Namens Wulfingus, auf defien Bitte und auf den Wunſch des Königs überlaffen wurden. ) Diefe Einmijchung des Königs in eigentlich private Angelegenheiten ift übrigens die einzige Eigenthüm⸗ fichkeit, durch welche die Urkunde ſich von fonftigen Precarieverträgen unterfcheidet; denn auch in dieſen ift, gewöhnlich mit gleichen Worten, von der Bitte des Empfängers, von ber Bereitwilfigfeit des Stifte,

') Gesta abb. Font. c. 12. p.

3) Aehnlie Erwägungen —S uns, die größere Erzählung des c. 14 der Ey des Majordomats zuzuweiſen, hier alfo zu übergehen.

©. oben ©. 7 (N. 4).

*) Gesta Aldrici episc, Cenomannensis c. 62 bei Baluze, Miscellaneorum lib. I. p. 158: actum Cenomanis eivitate in anno primo regni Domini nostri Pipini gl. regis.

®) Bol. oben ©. 6. N. 1.

*) Zur Erläuterung der Ortsnamen jener Gegend verweiſt Sidel, Acta II. p. 211, auf eine mir micht. zugänglich gewordene Schrift von Th. Cauvin, geographie ancienne du diocöse de Mans, Paris 1844.

?) Cognitum est qualiter domnus noster Pipinus gloriosus rex villas . ad ipsam ecclesiam reddere jussit et postea per verbum domino nostro Pipino mea fuit petitio et vestra decrevit voluntas, ut ipsa locella per vestra beneficia ad usus fructuario ordine [lies: ad excolendum usufructnario 0) mihi tenere permisistis.

26 Eapitel IL 752.

ja zuweilen felbft von der Vermittlung Dritter die Nede. !) Und wie durch ſolche Verleihungen der Kirche Häufig nur eine Schenkung dem Schenker oder feinen Angehörigen zum Nießbrauch zurücerftattet wurde, fo hat auch Wulfing, wie es ſcheint, bereits vorher innegehabt, mas ihm jegt in veränderter Form von dem rechtmäßigen Eigenthümer wieder eingeräumt wurde. *) Seine Gegenleiftung beftand in einem Pfunde Silber jährlichen Zinfes, da8 am S. Martingfefte an die Kirche zu entrichten war ‘und offenbar zur Beleuchtung während der Winterszeit verwendet wurde. °) Bei fäumiger Zinszahlung jollte er angehalten werden, fich für die Zahlung zu verbürgen, *) ein Verfahren, das nach altſaliſchem Recht fehlieglich zur Tilgung der Schuld führen mußte. °) Einen Verluſt des Gutes aber follte ſolche Säummiß nicht zur Folge haben, denn es war auf Lebenszeit verliehen und die Precarie ſollte, aud ohne Erneuerung von 5 zu 5 Jahren, fo lange in Geltung bleiben. Nach dem Ableben des Empfängers jedoch follte das Beneficium ohne Widerrede in den Beſitz des Bisthums zurüdfallen.

Daß dies nicht gefchehen, beweiſt ein zweiter, ' diefelben Güter betreffender, Precarievertrag aus der Zeit Karls des Großen.) Diefer Tall aber war ja zu Leftines ausdrüdlich vorgefehen worden, da man dem Fürften vorbehalten hatte, nad, Erledigung einer Precarie eine neue Verleihung zu beantragen. ) Der Name des neuen Empfängers war Germund, der damals lebende Biſchof Franco, die Zeit der Ueber- tragung das 31. Regierungsjahr Karls. Faſt feheint es, als Hätte bei der neuen Verleihung die Vorfchrift, ein neues Document zu

2) &. 3. 8. Beyer J. 14: postea vero vestra fuit petitio et intercessio bonorum hominum,

) Bol. befonders die Worte mihi tenere permisistis; tenere behalten.

°) Annis singulis ad festivitatem S. Martini illam hibernaticam argento libra una [fies: argenti libram unam] ad parte S. Gervasio aut rectoris ecelesiarum transolvere faciam. Wait, B®. IV. ©. 164. N. 3, hebt hervor, daß der Ausdrud hibernatica nod in anderen fpäteren Urkunden von Le Mans vorkommt, läßt denfelben jedoch unerflärt. Auch Roth, BW. ©. 362, hält das Wort für eine Singularität von Maine. Hibernatica [scil. libra] ſcheint jedoch nichts Anderes, als was in einer Pecarie des Klofters Prüm vom Jahre 767 mit hyemale libra bezeichnet wird: ea seilicet ratione, ut annis singulis missa S. Martini hyemale libra de argento ad lumen ipsius ecelesiae sancti Salva- toris solvere debeam; Beyer I. 21. Daß hier der Ausbrud ad -Jumen im wörtlichen Sinne zu nehmen ift, geht aus einer anderen Precavie von Prüm (Beyer Ne 14) hervor, wo beflimmt wird, daß als Zins annis singulis ad festivi- tatem sancti Salvatoris in luminaribus ipsius drei Denare entweder in baarem Gelde aut in cera zu entrichten feien.

#) Et si negligens aut tardus de ipso censo ad ipso placito fuero, fidem exinde facere debeam et ipsam rem, dum ego advivo, perdere non debeam; vgl. Beyer Ne 21: et si de isto censu tardus aut negligens apparuero, fidem exinde faciam et ipsum censum solvam et ipsas res, dum advivo, non

°) Lex Salica ed. Waitz, Tit. 50; vgl. daj. ©. 179-183.

°) Gesta Aldrici 1. c. c. 68.

) Karlomanni prineipis capit. Liftinense c. 2: Et iterum, si necessitas cogat, ut princeps jubeat, precarium renovetur et rescribatur novum.

Urkunden. 27

ſchreiben, keine ſtricte Beachtung gefunden, als wäre vielmehr das alte Schriftftitet beibehalten und nur eine Aenderung der wichtigſten Namen darin vorgenommen worden. Denn in ber uns erhaltenen Abſchrift finden wir denfelben Schreiber wieder, der vor mehr ale 40 Jahren die Urkunde Wulfings ausgefertigt, ebenfo diefelben 8 Zeugen, welde fie damals unterfchrieben Hatten. Acht neue Zeugen, die jegt Hinzufamen, feheinen ihre Namen einfach, Hinzugefügt zu Haben. Der Precariebrief Germunds mag daher als ein neuer Beweis von ber Unbehoffenheit der damaligen Urkundenfchreiber gelten; allein es Liegt fein ausreichender Grund vor, das eine oder das andere der beiden Doeumente als Falſchung zu betrachten. *)

) Wie Roth, BW. ©. 452, will.

Drittes Capitel.

Bonifacius ala Biſchof von Mainz. 751— 753.

In den erften Monaten des Jahres 742 meldete Bonifacius dem Papfte Zacharias, der Frankenherzog Karkmann Habe ihn zu ſich rufen laſſen und ihn aufgefordert, in feinem Reichstheile eine Synode zu verfammeln; derſelbe ſei Willens, die feit 60— 70 Jahren zerrütteten Verhältniffe der Kirche zu verbejfern. ) Mit diefer Berufung trat in dem Leben des Bonifaz eine entfcheidende Wendung ein. Die neue Aufgabe, die ihm num geftellt ward, ging über die Thätigfeit hinaus, welcher er fi) in den Tagen Karl Martells und der beiden Gregore vorzugsweiſe gewidmet hatte; er bat den Papft deshalb um Beſcheid, ob er das Werk, zu welchem der Herzog ihn eingeladen, unternehmen

ſolle, fowie im Falle der Zuftimmung um die Unterweifungen des apoftolifchen Stuhls. ?)

Bonifacius hatte ſich bis dahin vornehmlich der Heidenbefehrung, feinem innerften Berufe, hingegeben. Wie er ſchon als Kind ſich einft aus dem Glanze des weltlichen Lebens nad) der lofterzelle gefehnt und weder durch die Bitten noch durch die Drohungen feines begüterten Vaters davon hatte abbringen laſſen; ®) wie der junge Mönd) dann, troß des ungewöhnlichen Anfehens, das er fich in feiner Heimath erworben, troß feines Einflufjes bei den fynodalen Berathungen in die Fremde 309, von Familie und Geburtsland ſich losriß, um in unbelannter

1) Jaff, Bibl. III. ep. 42. p. 112.

®) Daf.: Nam si per verbum vestrum hoc negotium, duce rogante supra dieto, movere et incipere debeo, praeceptum et judieium apostolicae sedis cum canonibus aecclesiasticis praesto habere cupio.

) Willibaldi Vita S. Bonifatü c. 1, Jaffe Bibl. III. p. 432.

Bonifacius als Biſchof von Mainz. 29

Ferne die Lehre Chrifti zu verbreiten; ") wie er bei feiner Wieder- fehr nad) England trog der dringenden Bitten der Kloſterbrüder ſich weigerte, das Amt des eben verftorbenen Abtes zu übernehmen; ?) wie er endlich nach dreijährigem Aufenthalte bei dem Friefenapoftel Willibrord die Bifhofswürde ausfchlug, durch welche diefer ihn zu feinem Nachfolger im dortigen Bisthum erheben wollte: °) dies Alles beweift, daß Bonifaz nur dem innerften Drange feiner Natur, der von ihm felbft fo bezeichneten „Liebe zur Pilgerfchaft“ *) gefolgt war, als er, mit päpftlicher Vollmacht zur Predigt ausgerüftet, 5) in der Eigenfhaft eines „germanifchen Legaten der römiſchen Kirche“ °) ſich in die Gaue der heidniſchen oder ins Heidenthum zurücgefallenen Deutſchen begab und ihnen das Chriftentfum verkündete. j

Auch das neue Amt, zu weldem er jegt berufen warb, übernahm er nur im Auftrage und ale Vertreter des Papftes. ?) Der Heil. Apoftel Petrus, fagt Gregor II. einmal, ift der Urfprung fowohl des Apoftolats als auch des Episcopats. ®) Es Handelte ſich darum, die entartete fränfifche Geiftlichfeit wieder unter die canonifchen Ordnungen zu bringen, durch ein feftes hierarchiſches Band die Kleriker wie die Laien an bie orthoboge römische Lehre zu feſſeln. Dem päpftlichen Vertreter war bei diefer Organifation nad) feiner eigenen und des Papftes Meinung eine Art ftändiger Nunciatur zugedacht. Darum ſollte eine Stadt, die als Neichemittelpunft gelten konnte, ihm zum dauernden Wohnfig angewiefen werden. Welch ein Unterfchied gegen früher! Noch im October 739 hatte Gregor III. ihm geſchrieben: „Es kann dir nicht geftattet werden, Bruder, an einem Orte zu ver- weilen. Wo aud immer der Herr dir den Weg ber Heilsverkündigung eröffnet, darfft du nicht ablaffen zu predigen; laß es did nicht ver- drießen, rauhe und weite Wege zu wandeln, damit durch dein Bemühen der Glaube weit und breit zur Herefchaft gelange.“ °) Im Oktober

) Willib. c. 4. p. 440. Schon vor dem Jahre 706 war ein Gedicht de itineris peregrinatione ihm gewidmet worden: epist. Aedilwaldi,

Jafi& II. ep. 5. p. 87. %) willib. c. 5. p. 448. ®) Daf. p.

5. p. 447—448. +) Jaffe, Bibl. II. ep. 86. p. 233: Postquam nos timor Christi et amor peregrinationis longa et lata terrarum ac maris intercapedine separayit etc.

®) Jus praedicationis: epist, Zachariae papae, Jaff6 II. ep. 49. p. 135—136.

*) Bonifacius archiepiscopus, legatus Germanicus Romanae ecclesiae: Jaffe, Bibl. IT. ep. 59. p. 168 und an anderen Stellen.

?) Carlomanni principis capitulare a. 742 (Pertz LL. I. p. 16; Jafte, Bibl. TI. 47. p. 127): et constituimus super eos archiepiscopum Boni- fatium, qui est missus sancti Petri. Epist. Zacharise, Jaff6 III. ep. 51. p- 149: De synodo congregata apud Francorum provineiam ... peragente nostra vice tua sanctitate. Vgl. noch Jaff6 III. ep. (Zachariae) 81. p. 227: Sed et in provincia Francorum nostra vice-concilium habuisti.

*) Epist. Gregorüi II. papae, 726 22. Nov., Jaff6 III. ep. 27. p. 88: Quia beatus apostolus Petrus et apostolatus et episcopatus prineipium exstitit.

®) Epist. Gregorüi III. papae, Jaff& III. ep. 38. p. 106: Nec enim habebis licentiam, frater, percepti laboris in uno morari loco ... Non pigeas itinera

30 j Capitel II. 761-788.

745 dagegen begrüßte e8 Zacharias als etwas Freudiges, auf Gottes Wint Gejchehenes, daß ſämmiliche Großen der Franken Eine Stadt aus erwäßlt, welche bis an die Grenzen der Heiden und an die meubefehrten germanifchen Gebiete reiche, damit Bonifaz hier einen bleibenden Metro- politanfig Habe, von Hier aus die übrigen Biſchöfe zum rechten Wege anleite, dann feine Nachfolger beftändig das gleiche Recht genieken. *) Es war, wie der Schluß deifelben Briefes zeigt, Coln gemeint, ) und der Papſt beeilte jich, dem Wunfche der Franken gemäß diefe Metro- pole durch apoftolifche Beſtätigung dem Bonifaz zuzuerfennen. ?) Er fegnet die Fürjten, daß fie demfelben Hierin zur Seite geftanden haben, da falſche und ſchismatiſche Priefter die Maßregel zu Hindern gefucht. *) Diefe bedeutete in der That nichts Geringeres, als die Aufrichtung des päpftlichen Supremats im Frankenreich; das Kirchenoberhaupt follte durch eine ftändige Vertretung zu geregeltem Einfluß gelangen. Zacharias hielt am ſolchen Ausſichten gerne feft; nach Jahren noch, als der Plan einer Cölner Metropole von den Franken bereit aufgegeben war, wendet er ſich in einer Encyelica an die Biſchöfe des Reichs, wie von Würzburg, Straßburg, Speier, Cöln, Tongern, fo aud) von Rouen, Amiens, Laon, Meaur u. A. mit den Worten: „Ihr Habt zu eurer Kräftigung und Stüge an unfer ftatt ben heiligen und ehr- würdigen Bonifacins, unferen erzbifchöflichen Bruder, den Legaten des apoftolijchen Stuhls und unfern Stelfvertreter.“ °)

Diefe Ausfichten jedoch verwirklichten ſich nicht. „Die Franken,“ ſchreibt Bonifaz dem Papfte, „find dem gegebenen Worte nicht treu geblieben." 6) Die Sinnesänderung aber betraf nicht allein, wie ge- wöhnlic angenommen worden, ?) den für Bonifaz beftimmten Biſchofs⸗

garpere aspera et diversa, ut christiana fides longe lateque tuo conamine

1) Epist. Zachariae, Jaff6 III. ep. 51. p. 149: De eo namque quod suggessisti, quod elegerunt unam civitatem omnes Francorum principes ... quatenus ibi sedem metropolitanam perpetuo tempore habere debeas et inde ceteros episcopos ad viam instrueres rectitudinis et post tui successores perpetuo jure possideant; hoc, quod decreverunt, nas laeto suscepimus animo, eo quod ex Dei nutu factum est.

) Daf. p. 152: De civitate namque illa, quae nuper Agrippina vocabatur nunc vero Colonia, juxta petitionem Francorum per nostrae auctoritatis praeceptum nomini tuo metropolim confirmavimus.

d ©. d. vorhergehende Note.

9 Daf. p- 149: si quidem falsi sacerdotes et seismatici hoc impedire conati sunt ... et quia tibi ipsi prineipes Francorum etiam in hoc adjutores exstiterunt, retribuat illis omnipotens Deus vicissitudinis premium.

®) Epist. Zachar., Jaffe III. ep. 67. p. 194: Habetis itaque nostra vice, ad confortandam dilectionem vestram et conlaborandum vobis in evangelium Christi, sanctissimum ac reverendissimum Bonifatium, fratrem nostrum archi- episcopum, apostolicae sedis legatum et nostram praesentantem vicem.

*) Epist Zachar., 748 1. Mai, Jaffe III. ep. 66. p. 192: Alia denique scripta tuae fraternitatis continebant: quod jam olim Ye ‚Agrippina. eivitate seripsisti, quod Franci non perseveraverunt in verbo, quod promiserunt; et nunc moratur tua fraternitas in civitate Magontia.

) Bgl. z. B. Rettberg, L ©. 379.

Bonifacius als Biſchof von Mainz. 31

fig, infofern ipm im Jahre 748 ftatt Cölns das Bisthum Mainz übertragen wurde; vielmehr war das ganze Wefen feiner Stellung ein verändertes. Aus einem Nuntius Roms, der den Mittelpunkt der ger fammten Staatsfirhe Hatte bilden follen, war er zu einem einfachen Biſchofe des Reichs geworden. Was dazu die Veranlaffung gegeben, wird nirgends ausgeſprochen; die nächſtliegende Erflärung ift wohl, daß die fränfifche, beſonders aber die gallifche Geiſtlichkeit ſich der Unterordnung unter einen päpftlichen Vikar widerſetzt haben wird. 1) Die Zuftimmung des Majordomus Pippin wird daher mehr dem Drängen des Klerus, als feiner eigenen Initiative zuzufchreiben fein: war dod) die Wahl Cölns im Jahre 745 von beiden Brüdern aus- gegangen und für beide Neichstheile beſchloſſen worden. 2)

Bonifacius fehnte fi bald aus diefem Verhältniß heraus, und er bat Zacharias um die Erlaubniß, feinen biſchöflichen Sig zu Mainz, falls er eine dafür geeignete Perſönlichkeit fände, einem Anderen über- tragen zu dürfen, felbft aber wie ehedem Legat des apoftolifchen Stuhls zu fein. ®) Es widerftrebte ihm, dem ehemaligen Primas der fräntifchen Kirche, nunmehr auf einen verhältnigmäßig engen Wirkungskreis be- ſchränkt und nur als einer der vielen Biſchöfe dem Klerus des Reiches eingereiht zu fein. Man würde darin mit Unrecht verleiten Ehrgeiz erfennen. Er hatte der Heidenmiffion als ausſchließlichem Berufe entfagt, um die religiöfen Angelegenheiten des gejammten fräntifchen Staats im orthodogen Geifte Roms zu ordnen und zu leiten, nicht um fid) mit der Verwaltung eines Bisthums zu befallen, deren viel- fach weltliche und geringfügige Gefchäfte ihn von jeinen höheren Auf- gaben ablenken mußten. Nicht um folder Thätigfeit willen mochte er in diefen Landen weilen, die er und feine Genofjen doch immerhin nur als eine Fremde betrachteten, in welcher fie fich im Auftrage des apoſtoliſchen Stuhles aufzuhalten hätten. t)

Papſt Zacharias jedoh drang in ihn, den Gig der Mainzer Kirche, welcher ihm angewieſen worden, keineswegs zu verlaffen, 5) damit ſich an ihm das Wort der Schrift erfülle: Wer bis an das Ende beharret, der wird ſelig.“) So ift denn auch fein Zweifel, daß Bonifacius fi der Verwaltung feiner Didcefe wirklich unterzogen.

2) Bol. oben ©. 30. N. 4.

%) ©. oben ©. 30. N. 1. Willibald ſchreibt die Uebertragung des Mainzer Pontificats irrigerweiſe dem Karlmann zu: Bonifatius archiepiscopus,

Magontiae civitati, ipso Charlomanno consentiente ac donante, pontificatu

praesidens. Vita "8. Bonifatüi c. 8. p- 459.

®) Epist. Zachar., 748 1. Mai, Jaf III. ep. 66. p. 192: tu vero, carissime, legatus et missus esse, ut fuisti, sedis apostolicae.

*) Epist. Bonif., Jaff€ III. ep. 60. p. 178: de... Anglorum gente nati et hie per Praeceptum apostolicae zedis peregrinamur.

5) Jaffe III. ep. 66. p. 192: sedem, quam obtines, sanctae Magontinae aecclesiae nequaquam relinquas.

*) Qui perseveraverit usque in finem, hic salvus erit: Matth. 10, 22; 24, 13 ein in den Briefen jener Zeit umzählige Male citirtes Bibelmort.

32 Capitel II. 751-758.

Biſchof Lull nennt ihn in einem Schreiben feinen Vorgänger im Amte; !) in feiner Eigenſchaft als Biſchof von Mainz begegnet e8 Bonifacius, daß ein Sflave feiner Kirche, Ansfrid genannt, unter Umgehung der bijchöflichen Yurisdiction beim Könige Pippin Klage führt und ſich ein Schreiben defielben erwirft, worin Bonifaz aufge fordert wird, ihm Gerechtigkeit widerfahren zu laffen. 2)

Im Jahre 751 beſchloſſen die Franken, das Bisthum Mainz für Bonifaz und feine Nachfolger zum Erzbisthum zu erheben und ihm die Städte Speyer, Worms, Köln, Utrecht und Tongern, fowie ale neubefehrten germanifchen Landfchaften unterzuordnen. Auf ihre Bitte beftätigt Zacharias die neue Einrichtung durch eine an Bonifaz gerichtete Bulle. ) Es wird darin ausdrüclich auf den Wunſch der Franken Hingewiefen, mit feinem Worte aber wie einft bei Er- richtung der Cölner Metropole auf de8 Bonifaz eigenen Antrag, und in dem begleitenden Schreiben an diefen *) wird auffalfender Weife von der Erhöhung feiner Kirche nichts gefagt. Beide Umftände ſcheinen anzudenten, daß die Maßregel für Bonifaz nicht erwünſcht am, zumal er in diefer Erweiterung feiner Befugniffe doch noch lange feinen Erſatz für den verlorenen Primat des Franfenreiches finden fonnte. Es ift daher wohl möglich, daß Bonifaz, joweit es den vereinigten Beichlüffen der oberften Staats- und Kirchenbehörbe gegenüber ge- fchehen konnte, die ihm übertragene Amtsgewalt abgelehnt-hat; *) die Erhebung Cölns zur Metropole war ja dereinft ebenfalls ſchon vom

) Jaffe III. ep. 114. p. 279: non congentiente antecessore meo sancto Bonifatio archiepiscopo, neque me, successore ejus.

%) Epist. Bonif., Jaff& III. ep. 105. p. 258: Quidam servus ecclesiae nostrae ... qui nos arte fugiebat, Ansfrid nomine, veniens ad nos cum indiculo vestro, rogans, ut ei justitiam faceremus.

®) Jaff6 IIL ep. 81. p. 287: juxta eorundem filiorum Francorum peti- tionem. Der Mainzer, jest Münchner, Eoder der Bonifaciſchen Briefe enthält nur die erfien Zeilen diejer Bulle, da das nächftfolgende Blatt deffelben, auf welchem die Fortjegung des Schreibens, ſowie das päpftliche Brivilegium für Fulda ftand, ſchon frühzeitig aus dem Coder hevausgeichnitten worden. Die Ausgaben des Briefes fügen ſich daher nur auf die Carlsruher Handihrift, doch enthält den- jelben nach Giles (Bonif. Opera II. p. 186) auch der von ihm eingejehene Barifer Eoder; vgl. Ereurs V. Auffallend ift, daß e8 im dem Schreiben heißt, Bonif. habe bis dahin noch feine Cathedralficche innegehabt (nunc usque cathe- dralem sedem sibi minime vindicavit [fraternitas tua]), da er doch feit Jahren ſchon Main, befjaß. Dazu kommt die irrthümliche Angabe der Jahre feines Episcopats (25 ftatt 29); es muß endlich befremden, daß Zacharias in dem ver- traufichen Schreiben befielben Datums (Jaffe IIT. ep. 80) das Mainzer Privileg mit feinem Worte erwähnt, während er das Fuldaiſche ausdrüclich anfündigt (p. 222). Dennoch ift fein Grund vorhanden, am der Echtheit der Bulle zu ziveifeln, und die erfteriwähnten Ungenauigkeiten erflären ſich vieleicht dadurd), daß die vordere Hälfte des Schreibens wörtlich aus der ehemaligen Bulle für Eiln entnommen fein mag.

*) Jaf6 III. ep. 80. p. 220.

°) In einem einzigen Doeument, der Copialurkunde Ne 2 bei Dronke (Cod. dipl. Fuldens. p. 1), einer carta pagensis, findet ſich der Ausdruck domnus Bonifacius archiepiscopus urbis Mogontiae. Die Urkunde ift jedoch, man datire

Bonifacius als Biſchof von Mainz. 33

Reiche befchloffen und vom Papfte genehmigt worden. So erflärt es fih, daß Bonifaz in feinem Utrechter Streite mit Cöln !) auf jene päpftliche Bulle, die ihm fowohl Cöln als Utrecht unterordnete, gar keinen Bezug nimmt. Sein Nachfolger Lull führt ja auch Bis zum Jahre 780 nur den Bifchofstitel, und die erzbiſchöfliche Würde wurde ihm erft dann ausdrücklich zuerkannt. Bonifacius felber bezeichnet ſich in feinen Schriftftüden charakteriſtiſcher Weife niemals als Kirchen- oberhanpt von Mainz; den Biſchofs⸗ und Erzbifchofstitel aber, den ex ſich beizulegen pflegt, befaß er bereits Jahrzehnte, bevor ihm ein beitimmter Sprengel angemwiejen war.

Es ift daher eine verkehrte Auffaffung, wenn man meint, Bonifaz habe darum gezürnt, weil die zugefagte Erhebung feines Bisthums Mainz zur Metropole vielleicht wieder rüdgängig geworden fei.2) Eine folche Vereitelung des Planes mußte ihm vielmehr ebenfo gleichgültig fein, wie die Ausführung deifelben. Er blieb nad wie vor feiner urfprünglichen Stellung als Nuntins des Reiches beraubt, blieb nad wie vor nur eines der zahlreichen, einander coordinirten Mitglieder der höheren fränfifchen Geiftlichfeit. ®)

Auf die Mitwirkung des Bonifaz beim Thronwechſel fällt unter folden Umftänden ein neues Licht. Man hat es auffallend gefunden und weitere Schlüffe daraus gezogen, daß grade in den älteften Berichten über die Thronbefteigung Pippins, in der Fortfegung des Fredegar und in der fogenannten Claufula vom Jahre 767 die Theilnahme des Bonifacius an der Salbung des neuen Königs ganz unerwähnt geblieben if. Das follte gegen das ausdrückliche Zeugniß der Lorfcher Annalen als Beweis gelten, daß Bonifaz dem Thronwechſel fern geblieben. Allein jene beiden Quellen find gallifchen Urſprungs; denn der Fortſetzer des Tredegar ift ohne Zweifel in Burgund, der Ber- faffer der Elaufel in S. Denys zu fuchen. Wenn nun Beide, wie

fie nun mit Dronfe vom 24. Januar 750 ober richtiger 751, viel älter als die päpfliche Bulle, welche Mainz zum Erzbistum erhebt; jene Worte erweiſen fih alfo ſchon dadurch nur als ein fpäterer Zuſatz des Schreibers, von deffen Hand wir die Topie befißen.

) ©. unten Cap. IV. 2.

3 Rettberg I. ©. 396.

®) In jüngfter Zeit Hat Dünzelmann, Unterſuchung über die erften unter Karl: mann und Pippin gehaltenen Concifien (Inauguralbiffertation 1869) ©. 2846, die Mebertragung des Erzbisthums Mainz am Bonifaz in das Jahr 748 zu ver« legen, die des Bisthums Cöln aber ganz zu beftreiten verſucht. Seine Ausführungen feinen mir jedoch unficher und unhaltbar. Indem er von Zweifeln am der chrono⸗ logifhen Datirungsweile der Bonifaciiden Briefſammlung ausgeht, Hält er den Abjhreiber oder Sammler auch weiterer Willkür in Abänderung der Zahlen des Lontertes für fähig, ja verdächtigt ſogar die Nadjrichten der Briefe jelbt, fomeit fie mit ihm in Wiberfprud) find, und bricht bie Unterfudjung fälieplic, weit fie ihn zu weit führen würde, in der Mitte ab. Daß auf Willibalds Worte (oben ©. 31. N. 2) nicht viel zu bauen, beftätigt unter anderen Ungenauigkeiten auch di, tele Dünzelmann felbft &. 58 ihm nadiweift; die Angaben der ann. Lauriss. min. a. 17. Pippini aber, auf die er ©. 44 grofies Gewicht Iept, find, wie wir im Ercurs VI darzuthun ſuchen, weder jelbftändig mod) richtig.

Yapeb. d. did. Geld. Deläner, König Pippin. 3

34 . Capitel EI. 781788.

es ja dem wirklichen Sachverhalt entiprah, in Bonifaz nur einen aus der Zahl der fränfifchen Biſchöfe ſahen, was war natürlicher, als daß fie ſich darauf beichränften, der eine von ber Weihe durch die Biſchöfe im Allgemeinen, *) der andere von der Salbung durd) die Hände ber Priefter Gallien zu reden? %)

Es fei uns geftattet, bei dieſer fo vielbefprocenen Frage von dem Verhalten des Bonifaz beim Sturze der Merowinger noch einen Augenblid zu verweilen. Zwar fann der Berjud, Bonifaz als völlig umbetheiligt barzuftellen, °) Heutzutage wohl als vereitelt betrachtet werden, und es ift hier nicht nöthig, die Unhaltbarfeit der Argumente nochmals im Einzelnen darzuthun.“) Nur zwei allgemeinere Be— merfungen mögen an biefer Stelle ihren Plag finden.

Was zuvörderft die Betheiligung der hohen Geiſtlichkeit an der Krönungsfeier, die kirchliche Weihe betrifft, jo war diefe nichts ale ein Hufdigungsaft, den bie Bifhöfe in ihrer Eigenschaft als Unter- gebene des Königs vollzogen. 5) Das Wefentlichjte bei dem ganzen Ereigniß war die Zuftimmung der Franken, und diefer konnte fich Pippin ſchon damals verfichert halten, als die Reichsverſammlung ihre berühmte Anfrage über das Königthum an den Papft gerichtet hatte. ©) Selbjt jene Anfrage war kaum mehr als eine Formalität, wie Pippin überhaupt feierliche Formen liebte, in feinem Falle aber von entjcheidender Bedeutung. Daß Bonifaz die Vermittlung beim Papſte übernommen, ift allerdings unerwieſen; ebenfo unerwiefen jedoch, daß die mündliche Inftruction, welche er feinem damaligen Abgefandten Lull mitgegeben, ?) einen günftigen Beſcheid zu vereiteln bezweckt hätte,

Aber auch der Thronwechjel ſelbſt ift in feiner Wichtigkeit über⸗

!) Fred. cont. c. 117: cum consecratione episcoporum et subjectione principum.

%) Mabillon, de 8 Üplomatica p- 384 (Bouquet, Recueil V. p. 9; Migne, Patr. lat. LXXI. col. 911): per manus beatorum sacerdotum Galliarum.

®) &. beionders Wetiberg L $ 67. ©. 380-392. Eine neuerdings er- ſchienene Abhandlung von Henjer, Bonifacius und der Staatsſtreich Pippins im Zahre 752 (Programm der Renlichule zu Caffel 1869), recapitufirt fat nur die —— Rettbergs, ohne von den ſpäteren Fortſchritten der Forſchung Notiz zu nehmen.

*) Bol. 3 die Darftellungen bei Hahn, Jahrbücher S. 146 (N. 2), und bei Wait, 28. I. ©. 60 (N. 1); bejonders auch Phillips, Weber den des hl. Bonifacius an dem Sturze der Merowinger (Mündjener gelehrte Angei 1847, 77—78), welche Abhandlung mir, als ich in meiner Sifertation (De Pippino rege Francorum, 1853, p. 15) denfelben Gegenftand behandelte, a unbelannt war.

5) Fred. cont. c. 117 (oben R. 1) ftellt bie Consecratio der Biſchöfe mit der Subjectio der weltlichen Großen zufammen. Dat. Di Karofingiiche Monarchie, in: Die Zeit, Frankfurt a. M. 1861, 50, ©. 6)

®) Fred. cont. I. c.: una cum consilio et —* omnium Francorum missa relatione. Bgl. Wait, BG. TIL ©. 56. N. 2.

?) Jaff6 Bibl. III. ep. 79. p. 218: Habet in secreta quaedam mea, quae soli pietati vestrae profiteri debet: quaedam viva voce vobis dicere, quaedam per litteras notata ostendere.

Bonifacius als Biſchof von Mainz. 35

ſchätzt und dabei von fpäteren, größtentheils modernen Legitimitäts- begriffen ausgegangen worden. Zu welder Verächtlichfeit war das merowingiſche Kon gthum Herabgejunfen, zu welcher Machtvolltommen- heit bereit das Majordomat der Karolinger emporgeftiegen! Cs ift erjt jüngft hervorgehoben worden, *) daß die einzige annaliftiiche Auf- zeichnung, die uns aus der Megierungszeit Pippins erhalten ift, das ältefte Jahrbuch von Fulda nämlich, des Dynaſtiewechſels gar nicht gedenft; daß ferner ſowohl die größeren als auch die Hleineren Lorfcher Annalen, indem fie die Gefchichte Pippins erzählen, feine Regierungs- zeit vom erften Jahre feines Hausmaiertfums an ununterbrochen hie zu feinem Tode berechnen. Beide Thatjachen beweifen, daß der Sturz Childerichs für die Zeitgenofjen feine fo auffehenerregende Begebenheit gewefen, wie in den Augen der Nachwelt. Man fönnte als weiteren Beleg die harmlofen Worte anführen, mit welchen ber Biograph des Bonifacius, Willibald, von der Thronbefteigung Pippins redet. ?) Boni- facins felbft aber dachte zu Hoc von der Aufgabe des Herrſcherthums, um an dem Sturze des Merowingers ernftlichen Anftoß zu nehmen. Das Ermahnungsfchreiben, weldes er im Vereine mit fünf Mit- bifhöfen um die Mitte der 40er Jahre an den angelſächſiſchen König Aethilbald von Mercia richtete, giebt und Gelegenheit, feine Anfichten näher Tennen zu lernen. ?) Er erinnert den König an die Verant- wortlichfeit für das Heil feiner Unterthanen; *) er fchärft ihm ein, daß er nicht dem eigenen Verdienft, fondern der reichen Gnade Gottes die Herrfchaft zu verdanken, daß er daher durch feine Thaten fich diefer Gnade würdig zu zeigen habe. Er weift ifn zur Warnung auf das Beifpiel zweier Vorgänger Hin, welde um ihrer Sünden willen, durch Gottes gerechtes Gericht verurtheilt, von der Töniglichen Höhe diefes Lebens herabgeftürzt feien. ) Wenn Aethilbald vor Gott und den Menfchen gute Werke vollbringe, °) dann freue er ſich deffen und bete, daß Gott ihn lange Zeit im Befige der Herrihaft erhalte. Er ber zeichnet jene guten Werke näher: er habe mit Freuden vernommen, daß der König viel Mildthätigfeit übe, daß er Diebftahl und Gewalt that, Meineid und Raub mit ftarfem Arme verhüte, daß er die Wittwen und die Armen füge, den Frieden in feinem Lande befeftigt Habe. ?)

) Th. Sidel, Weber die Epoche der "Regierung Pippins: Forſchungen zur deutfchen Geididhte IV. ©. 452. 9 Pipping: 8 s

*) Willibaldi Vita S. Bonifatii c. 8. p. 461: Cum vero Pippinus Domino donante regale Franchorum, felix supradicti germani suecessor, regnum sus- cepit et, jam aliquantulum sedante populorum perturbatione, in regem sub- levatus est etc.

2 Jaff&, Bibl, III. ep. 59 (a. 744-747). p. 168.

+) Dai. p. 173.

%) p. 174.

*) p. 169: quandocumque .... opera bona coram Deo et hominibus per nuntiog fideles audivimus ... laeti gratias agimus Deo.

?) Daf.: Audivimus enim, quod elimosinarum plurima facias. Et in hoc congratulamur ... Audivimus quoque, quod furta et iniquitates, perjuria et

36 Capitel IT. 761758.

Wer die Herrſcherpflichten fo ernſt auffaßte, lonnte unmöglich ſich für einen Schattenkönig ereifern, welcher durchaus feine vor Gott und den Menſchen wohlgefälligen Werke aufzuweifen Hatte,

Wenn Bonifoz unmittelbar nad; dem Thronwechſel ſich zeitweilig von den Geſchaften feines Amtes zuruckzog, fo Haben wir feinen Grund, dies einer anderen Urfache zugufchreiben, als der in den Quellen wieber- holt bezeugten Schwäche feines Alters. Offenbar in diefen legten Jahren feines Lebens hat ihm Liudger, der nachmalige Bifhof von Münfter, ein Zriefe, gefehen; er fagt es uns in feiner Biographie des Abtes Gregor von Utrecht.) Wie dankbar würden wir ihm ge— weſen fein, wenn er uns ein anſchauliches Bild des Greifes hinter- laſſen hätte. Er fagt nur, daß fein Haar weiß, fein Körper vom Alter: abgezehrt geweſen ſei.) Der ofterwähnte Willibald berichtet, nachdem er ſchon zu Ende der 30er Jahre von Altersſchwäche ge- fprochen, 3) der Heilige Mann habe, durch körperliche Krankheit gebeugt, die Spnobalverfammlungen nicht mehr befuchen Können und ſich deshalb auf den Rath des Königs Pippin einen Gehülfen ausgewählt; er habe Lull, feinen begabten Schüler, hierzu beftimmt, ihn zum Biſchof er- hoben und ordinirt. 4) Es war offenbar die Stellung eines Chor- bifchofs, 5) zu welcher Bonifaz feinen Schüler befördert und um deren willen er ihm die erforderliche Biſchofsweihe ertheilt Hat.

Aber jehr bald genügte e8 nicht, einen Gehülfen ernannt zu Haben: die Entfräftung des Bonifaz nahm dermaßen überhand, daß er und die Freunde feine baldige Auflöfung erwarteten. Für diefen Fall hatte Zacharias ihn ſchon vor Jahren ermächtigt, ſich einen Nachfolger zu ernennen. ?) Hierfür bedurfte es jedoch der Genehmigung des

rapinas fortiter prohibeas, et defensor viduarım et pauperum case dinos- ceris, et pacem stabilitam in regno tuo habeas. Et in hoc quoque, lau- dantes Deum, gavisi sumus.

») Vita S, Gregor abb, Trajectensis auctore 8. Liudgero c. 14, Mabillon Acta 88. III. 2. p. 329.

). Daf.: gun [Bonifacium] oculis meis ipse vidi candidum canitie et

itum genectute, plenum virtutibus et vitae meritis. Willibaldi Vita S. Bonifatii c. 7. p. 456: apud honorandum Longo- bardorum Liutbrandum regem, jam senio fessis membris, requiescebat.

*) Daf. c. 8. p. 461462: Quia sanctus vir, infirmitate corporis per- gravatus, synodalia conciliorum conventicula per omnia adire non poterat, jam consultu atque consilio gloriosi regis idoneum praeponere ministrum Supra dicto gregi definivit. Et Lul, suum ingeniosae indolis diseipulum, ad erudiendum tante plebis numerositatem constituit et in episcopatus gradum provehit atque ordinavit eique hereditatem, quam in Christo instanti labore adquesierat, inplicavit.

®) Bol. wes Bonifaz von Willibrord erzähft, Jafi6 II. ep. 107. p. 260: Et in illa sede ... praedicans usque ad debilem senectutem permansit. Et sibi corepiscopum ad ministerium implendum substituit; et finitis longevae vitse diebus in pace migravit ad Dominum.

°) Jaft& III. ep. 84. p. 281: Videtur, ut vitam istam temporalem et cursum dierum meorum per istas infirmitates cito debeam, finire.

?) Jaff6 III. ep. 48. p. 120.

Bonifaeius als Biſchof von Mainz. 37

Königs, und fo wandte er fi denn an dieſen mit der Bitte, ihm die Uebertragung des Bisthums an Lull zu geftatten. ) Es ift ihm dabei vor Allem um die Verforgung feiner Schüler zu tun, die faft ſammt⸗ lich aus der Fremde wären, die einen als Prieſter im Dienfte der Gemeinden befchäftigt, die andern als Monche in die Klöſter vertheilt und dem Unterricht der Kinder bingegeben; ) manche unter ihnen, die fon lange Zeit mit ihm gearbeitet, feien bereits vorgerückten Alters. Daß diefe alle nicht einft wie Hirtenlofe Schafe ſich zerftreueten, *) das Chriftenthum an den Grenzen ber Heiden aber nicht wieder unter- gehe, dafür erbittet ſich Bonifaz die Hilfe des Königs, und als Mittel empfiehlt er ihm die Einfegung eines Nachfolgers im biſchöflichen Amte. Denn e8 Tüme darauf an, jenen Geiftlichen in der Nachbarſchaft der Heiden das Tärgliche Leben zu friften; fie hätten wohl Brod zu ihrer Speifung, aber Kfeider könnten fie fich nicht verfhaffen; daher müſſe ihnen von außen her geholfen werden, damit fie dort im Dienfte der Kirche aushielten. Dies werde vornehmlich die Aufgabe feines Nach- folgers fein, wie er ſelbſt es fich zur Aufgabe gemacht Habe. *)

Das Schreiben gewährt einen eigenthümlihen Einblid in bie Seele des Bonifacius. Darin alfo liegt fir ihn der Schwerpunft des Mainzer Episcopats, daß von den Mitteln deffelben die neuen Er— oberungen der Religion gegen einen Rückfall ins Heidenthum geſchützt werden. Das hatte ihn vielleicht mit feiner amtlichen Stellung ver-

V) Jaff6 TIL ep. 85. p. 282: deprecor, ut filiolum meum et corepiscopum Lullum ... in hoe ministerium populorum 'et ecelesiarum conponere et con- stituere faciatis praedicatorem et Detorem presbiterorum et populorum. safe trennt hier zum exften Male die in den Handſchriften in Eins verſchmolzenen u eiefe an den König und an den Abt Fulvad von ©. Denys, den Eapellan

ſelben

Natié III. ep. 84. p. 281: quidam sunt monachi per cellulas nostras et infantes ad legendas litteras oꝛ ti. Die Kloſtergründungen des Bonifaz waren bereits in den Tagen des Stifters und feiner Abficht gemäß jener Pflege des Unterrichts gewidmet durch welche Fulda ja ſchon nad; 100 Jahren zu größtem Ruhme gelangte. Das vorftehende Schreiben ift nicht die einzige Spur folder Förderung der Studien. Aud, in Friblar ernennt Bonifag nad; dem Tode des Abtes Wigbert ziwei Mfofterbrüder zu Lehrern der Kinder (Jaffe IIL ep. 64. p. 188: et magistri sint infantum). $ür höhere Stubien aber war in Thüringen geforgt: dorthin Hatte der Erzbifchof einem feiner Untergebenen, offenbar einem Briefler des Sprengels, zum Behufe feiner Ausbildung zu gehen geftattet Qafte, II. ep. 99. p. 247: vestrae sanctitatis licentia lectionis scrutandique causs ... Thiringiam perrexi); dieſer aber war durch Augenübeb und Kopfleiden ver- hindert, im der ihm zugemeſſenen Zeit an das Ziel zu gelangen, und richtete an Bonifaz daher bie Bitte, noch etwas Jünger verweilen zu dürfen, um dann gekräf- tigteren Geiſtes zur Pflicht des Kirchendienſtes zurüdzufehten (p. 248: paulo diu- tius manere mihi paternitas vestra hic concedat, ut . . . oportuno tempore servitutis vestrae ad officium . . . robustiorem recipiatis).

- ®) Jaff& III. ep. 85. p. 232: sicut oves non habentes pastorem. Bel. Matth. 9, 36; Marc. 6, 34.

*) Daf. eodem modo, sicut ego illos adjuvari.

38 Capitel II. 761—758.

föhnt, daß fie durch ihre Einkünfte ihn in den Stand ſetzte, bie Pflanzungen, welche ihm am meiften am Herzen Tagen, zu unterhalten und zu pflegen.

Indem Bonifaz fein Geſuch an den König richtete, bat er zus gleich. den Abt Fulrad um deffen Befürwortung, !) wie ja auch 3.8. Theophylacias, der Archidiacon des päpftlihen Stuhls, einmal ein Ge: ſuch des Bonifoz an feinen päpftlihen Herrn übermittelte, 2) oder wie Biſchof Benedict, der Vicedominus des apoftolifchen Stuhle, einmal verfichert, daß er durch Wort und That die Gefandten des Bonifaz unterftütt habe. °) Fulrad war, wie ausdrücklich bezeugt wird, 4) der Apokrifiarius der Könige Pippin und Karl, derjenige Hofbeamte alfo, zu deſſen Kenntnig und Vermittlung ſämmtliche kirchlichen Angelegen- heiten des Reiches gelangten. ) Der fränfifche Ausdrud für jenen der römiſchen Kaiſerzeit entjtammenden Titel war Capellan, *) und auch als ſolcher wird Fulrad in den Quellen oft bezeichnet. 7) Das Schreiben an ihn Hat demnach nichts Auffällig.

Es war, wie erwähnt, einer feiner Fieblingsjünger, Lull, welchen Bonifaz ſich zum Nachfolger auserfor. Auch Lull war Angelſachſe von Geburt; ſchon vor langer Zeit war er über das Meer gelommen, um in Föfterlihem Verkehr ſich an den Arbeiten des Bonifaz zu be theiligen. ®) Die Hingebung an diefen ift ein Herborftechender Zug feines Charakter; auch in Rom, woſelbſt Bonifaz zweimal feine Ans gelegenheiten, durch ihn beforgen ließ, wußte man die treuen Dienfte des gemandten Jungers zu rühmen; ) er felbft nennt jich fpäter einmal den Knecht der Schüler feines Herrn Bonifacius. 1%) Er war nach und nad) zum Diacon, 1?) zum Archidiacon, 1%) zum

) Jaffe III. ep. 84. p. 231; ſ. oben ©. 37. N. 1.

3) Epist. Theophilaciae, Jaff6 III. ep. 69. p. 198-199.

®) Epist. Benedicti, Jaff6 II. ep. 83. p. 230.

“) Hincmar de ordine palatii c. 16, Walter III. p. 765: tempore Pippini et Caroli hoc ministerium consensu episcoporum per Fulradum presbyterum

. . exstitit executum. u

5) Daf. c. 18: Apocrisiarius, id est, responsalis negotiorum ecelesias- ticorum; vgl. c. 19. p. 766, c. 20. p. 767.

®) Daf. c. 16. p. 766: Apocrisiarius, quem nostrates Capellanum vel Palatii custodem appellant; ebenjo c. 19.

?) Bol. zu den Stellen bei Wait, BG. II. ©. 431. N. 2, noch die Ann. Laur. maj. und Einhardi 749.

®) Jaff& III. ep. 41. p. 109: in venerandi archiepiscopi Bonifatii mona- sticae conversationis regula suscepti ipsiusque laboris adjutores sumus.

U} Bois, 'Theophilaciae, Jaf6 II. ep. 78. p. 217: vestrae almae paterni- tati ... fidelibus ac lepidis ministrat servitiis.

) Jaff6 II. ep. 97. p. 245: servus domni Bonifacii diseipulorum.

#1) Epist, Lulli diaconi, Jaff6 III. ep. 75—76. p. 214--215.

"2) Epist. Theophil, Jaff& III. ep. 78. p. 217: Lullum, benedictum archi- diaconum vest

Bonifscius ale Biſchof von Mainz. 39

Prieſter, *) endlich zum Chorbifchof aufgeftiegen; ) als ſolchen bezeichnet

ihn Bonifaz in dem oben erwähnten Schreiben an den König. In ihm,

fo Hofft er, ‘werden die Priefter einen Meifter, ‘die Mönche einen der Regel getreuen Lehrer, das chriftliche Volt endlich einen gewiffenhaften Prediger und Hirten haben. ®)

Die Befürchtungen für das Leben des Bonifaz gingen jedoch vorerſt nicht in Erfüllung. Sehr bald fühlte er ſich fo gefräftigt, da} er den Neichsverfammlungen Pippins wieder beimohnen zu können glaubte; er meldet dies dem Könige in demfelben Schreiben, weldes ihm den Dank für die gewährte Bitte, d. i. offenbar für die Zuftimmung zur Wahl Lulls, überbrachte. „Eurer Hoheit“, fchreibt er, „Tage ih großen Dank und erflehe für Eud ewigen Lohn dafür, daß Ihr meine Wünfe in Milde zu erhören und mein Alter und meine Hinfälligkeit zu tröften geruht Habt. Jetzt aber, glorreiher Sohn, wiſſe, daB ich dur das Erbarmen Gottes wieder in Euren Dienft eintreten zu fönnen glaube; darum bitte ich Euch, mir’ anzufagen, ob ich bei jener Verſammlung erſcheinen folle, auf daß ich Euren Willen erfülle.” 4)

Die Uebertragung des Bisthums Mainz an den Nachfolger ge- langte durch diefe neue Wendung noch nicht zur Ausführnng. 5) Der wiebergefräftigte Bonifaz fand fogleich auch für feine kirchlichen Stiftungen vollauf zu thun. Die Heiden Hatten mehr als 30 feiner Kirchen verwüſtet und verbrannt, und Bonifaz beeilte fih, den Wiederaufbau derfelben zu betreiben. Schon im Mai 752 muß er fi im jene Grenzlandfchaften hriftlichen Bekenntniſſes begeben haben, da die Nach richt vom Tode des Papſtes Zacharias und von ber am 26. März 752 erfolgten Weihe Stepyans II. vor feiner Abreife noch nicht zu ihm gelangt war. Erft als er, etwa im Spätherbft deſſelben Jahres, von jener Beichäftigung heimfehrte, fandte er durch einen Boten fein Begrüßungsfchreiben an Stephan und entfchuldigte ſich wegen diefer Verzögerung eben mit jener Wiederherftellung feiner Kirchen; ®) er bittet den neuen Papft um die Fortdauer des bisherigen Verkehrs und

1) Epist, Bonif. (a. 751), Jaff6 III. ep. 79. p. 218: hune presbiterum meum, portitorem litterarum mearum, nomine Lul. Epist. Zachariae (751 4. Nov.), Jaff& III. ep. 80. p. 226: praedicto Lul religioso presbitero tuo.

) Epist. Bonif., Jaff& III. ep. 85. p. 232: filiolum meum et corepiscopum.

’) D t spero ... quod in illo habeant presbiteri magistrum et monachi regularem doctorem et populi christiani fidelem praedicatorem et Pastorem.

+) Jaff& III. ep. 105. p. 258: ut nobis indicetis, si ad placitum istum debeamus venire, ut vestram voluntatem perficiamus. Das Placitum weiſt auf die Frühjahesgeit.

®) Bol. die Fortſetzung des in der vorhergehenden Note angeführten Schreibens, welche von der oben beiprochenen Angelegenheit des Sklaven Ansfrid handelt: ©. 32 (N. 2).

°) Jaffe III. ep. 106. p. 259: Interea deprecor, ut pietas domini mei non indi quia tam tarde missum meum et litteras ad praesentiam vestram direxi. Sed hoc ideirco contigit, quia praeoccupatus fui in restau-

40 Capitel IIL 781788.

der Gemeinſchaft mit dem apoſtoliſchen Stuhle, damit er in feinem üngerberufe ein ebenfo treu ergebener Diener Roms bfeiben könne, wie er es unter dem drei vorhergegangenen Pontificaten gewefen fei. Im Gefühle voller Ruſtigkeit wünfcht er von Stephan in gleicher Weiſe wie einft von feinen Vorgängern durch Ermahnung und Be lehrung unterftügt zu werben, damit er um fo beffer die Vorſchriften deffelben erfüllen Könne; denn wenn er bisher in feinem Legatenamt der Kirche irgend einen Nugen bereitet habe, fo wünſche er folden auch in Zukunft zu Leiften und zu mehren. )

So ieuchtet die Lebensflamme bes begeifterten Mannes noch einmal auf vor ihrem gänzlihen Erlbſchen. Mit verjüngter Kraft trit er in das Jahr 753 ein, aber auch mit dem Vorſatze, die ihm noch

ratione ecclesiarum ... Et haec fuit oceasio tarditatis litterarum e& appells- tionis paternitatis vestrae, et non aliqua neglegentiae ineuria. Jaff6 (n. 2) nimmt ohne erkennbaren Grund am, daß dem Briefe der Schluß fehle.

') Daf. p. 258—259. Ein Wort zur Chronologie dieſes Bnefes, welchen Jaffs ins Jahr 755 fett. Ih verweiſe vor Allem auf den unten folgenden Tyrcurs VI, in welchem bargethan iſt, daß ber Tod des Bonifacius in das Jahr 754, nicht 755 fält. Das Schreiben kann aber auch nicht in das Jahr 754 ger hören, denn es if nicht denkbar, daß Bonifaz, wenn er wirklich dem Papfte auch nur zwei Jahre nad; der Veftelgung des apoſtoliſchen Stuhls zum erften Male ſchrieb, alsdann noch auf biefen Amtsantritt Bezug genommen haben follte: ein Bedenken, das um fo größer wird, wenn man ben Brief ins Jahr 755 feht, fodaß er erft nach der Anweſenheit Stephans in Gallien gefchrieben twäre. Leicht Lönnte man nun in den Worten bes Sonia, eine Begriung des Bapftes nicht zum Amtsantritt, fondern bei feinem Cintritt in das fränkiiche Land erkennen, und bie in ber vorflehenden Anmerkung citieten Güte. wurden recht wohl dazu paffen. Allein der erſte des Briefes laht ſich doch durchaus nur auf einen Wechſel des Pontificats beziehen. Dan vergleihe damit ben Ahnlichen Wortlaut des Schreibens an Zacharias, als biefer den päpftlichen Sul beftieg. Wie es dort u. A. heißt: intimis subnixe flagitamus ibus: ut, sicut prascessorum vestrorum pro auctoritate sancti Petri servi devoti et subditi discipuli fulmus, sic et ventrae pietatis servi oboedientes, subditi sub jure canonico, fleri mereamur optantes, catholicam fidem et unitatem Romanae ecclesise servando (Jeff6 III. ep. 42. p. 111), fo bier: Sanctitatis vestrae clementiam Intimis ac visceratis obnixe flagito precibus: ut familiaritatem et unitatem sanctae sedis spontollcne ab almitatis vestrae clementia impetrare et habere merear;; et in Apulatu pietatis vestrae, sedi apostolicae serviendo, servus vester

ac devotus permanere possim eodem modo, = ante sub tribus prae- cessoribus vestris apostolicae sedi serviebam (Jaffö III. ep. 106. p. 258259). Die größere Wärme des friiheren Schreibens erflärt ſich durch die perſönlichen Beziehungen, welche ſchon vorher zwiſchen Zacharias und Bonifacius befanden hatten; vgl. ep. 42 (Bonifacius Zachariae). p. 118: venerande memoriae Brascamer vester, sicut audistis, in praesentia vestra mihi praecepit etc. ah Bonifacius aber von feinem BBjährigen Legatenamt redet, Tann für bie Datirung des Briefes nicht beſtimmend fein; es dient doch nichts naturlicher, ale daß der greife Schreiber fi um einige Jahre geirrt Hat, wie 3. B. auch Zacharias in feinem Mainzer Priviiegium unrichtlgerwelſe von einem 2bjährigen Episcopat des Bonifacius redet (Jafi6 III. Bl. B 227). Als Datum des Schreibens ergiebt ſich alſo ber Herbſt des Jahres 752. Die Krankheit des Bonifacius fiel nach unferer Darftellung in die Wintermonate 761—752, ſodaß von ben beiden Briefen qu König Pippin ber eine (ep. 85. p. 282), weicher von ber Er

Bontfachne ale Biſchof von Mainz. 4

vergönnte Zeit der erften und höchften Aufgabe feines Lebens, ber jeldenbefehrung, zu weihen. Auch Indem er fi jet an das Könige e Hoflager begab, hatte er vor Allem das Wohl feiner Miffione- landſchaften im Auge.

frankung berichtet, In den Anfang, ber ambere (op. 108. p. Q5R), welder bie Wiedergenefung melbet, In das Ende dieſes Winters zu fegen ware. Indeh wilde and der Aunahme, daß Bonifaciue nicht vor, ſondern ft nach ber anfrengenden Heife in die Difftonsgebtete erkrantt fel, nichte ntgenenfihen; jene Briefe wären fodann In den Wintermonaten 759-758 geſchrieben. fix unferen Tert aber wurden fich daraus nur unweſentliche Mobiflcationen ergeben.

Diertes Gapitel.

Die Privilegien von Utrecht und Fulda. 753. 1. Einleitendes.

Das Evangelium Matthäi fchliegt mit den Worten Jeſu an feine Jünger: „Gehet Hin und Iehret ale Völker und taufet fie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geiftes und lehret fie halten Alles, was ich Euch befohlen Habe, und fiehe, ich bin bei Euch alle Tage, bis an der Welt Ende.” ?) Petrus aber, der erfte der Apoftel, „brachte das Licht der Wahrheit vom Aufgang zum Niedergang:“ fo lehrte fon Eufebins von Cäfaren, 2) und damit hatte er in furzen Zügen das fpätere Verhältniß zwiſchen Rom und dem Abendlande vorgezeihnet. Die Nachfolger Petri blieben die Träger des Apoftelamts, die römifche Kirche durfte fich als die Mutter aller Gläubigen betrachten. ®)

Bei den Franfen Hatte der päpftliche Stuhl ſchon in merowingifchen Zeiten zuweilen feine Stellung geltend gemadjt; erft der nächſten Herrſcherfamilie jedoch war es vorbehalten, das Anjehen und den Ein- fluß Roms durd Erneuerung feiner apoftolifchen Thätigkeit dauernd zu begründen. Das Land der Angelſachſen diente zur Vermittlung.

2) Matt 28, 19. 20.

®) Historiae ecclesiasticae lib. IL. c. 14, Migne Patr. graec. XX. col. 172: ds [llkrpos] old rıs yevvalog Tod Seod orrparnyög... ch mon Tiunzov dunopeiav vos vontod Purds IE dvarolav Tol; zark Boy Ixduder. ö

*) gl. 3. 8. epist. GregoriiIT. papse, Jaff€ Bibl. III. ep. 20. p. 80-81: a sancta sede apostolica, spiritali omnium fidelium matre.

Die Privilegien von Utrecht und Fulda. 43

Hier hatte einft Gregors I. Abgefandter, Auguftin, die römiſche Lchre mit Erfolg verbreitet, und die angelfächfiiche Kirche blieb feitdem in engftem Zufammenhange mit dem Papftthum. Nach Nom begab ſich Willibrord, als Pippin von Heriftall ihm die Predigt in Friesland geftattete, um ſich hierzu auch des Papftes Sergius Erlaubniß und Segen zu erbitten. i) Als Winfried feine britiſche Heimath verlieh, um fi dem Werke der Heidenbefehrung zu widmen, gab Biſchof Daniel ihm ein Empfehlungsfhreiben an den Papft mit, zu welchem er feine erften Schritte Ienkte.?) Die karolingiſchen Hausmaier ver- fagten ihrerſeits der päpftlichen Autorität die Anerkennung nicht: fo vermittelte Pippin für jenen Frieſenapoſtel die päpftlihe Ordination zum Erzbifchof, ) und Karl Martell nahm den vom Papfte empfohlenen Bonifaz in feinen befonderen Schug auf. *) Gregor II. hält fein apoftolifches Anfehen für fo geſichert und anerkannt, daß er auch bei der Bevölkerung des Frankenreichs, ja felbft bei dem noch heidnifchen Theile der Thüringer und den Altfachfen das Werk des Bonifaz durch feine Furſprache zu fördern hofft.°)

Mit diefer bedeutungsvolfen Beziehung des römischen Stuhle zur Heidenmiffion hängt es nun offenbar zufammen, daß die Kirchen⸗ verfaffung folder von Rom aus befehrten Gebiete an der unmittel- baren Arbindung mit dem Papftthum feitzuhalten ſuchte. Da hier das Chriſtenthum ohne Hinzuthun der im Lande ſchon von früher her vorhandenen Kirchengewalten feften Fuß gefaßt Hatte, gebührte diefen auch der Machtzuwachs nicht, weldher in der Einordnung neuer Stif- tungen in ältere Parochien gelegen haben würde. Denn das ift das Weſen der Unterordnung unter Rom, daß dadurd) jede andere und nähere Unterordnung ausgejchloffen war; ſolche Unterwerfung war Befreiung, Schuß, daher Gegenjtand eines Privilegiums. In Rom gipfelte ja überhaupt alle firdhliche Autorität nach der Lehre, welche die angelfächfifchen Mifjionäre fo eifrig im Frankenreiche vertraten; was diejelben für ihre Kirchen- und Kloftergründungen erftrebten, war daher nur die Ummittelbarfeit des Verhältniffes, die Eremtion von den fonftigen Zwiſcheninſtanzen der Hierardhifchen Ordnung. Die alten Biihöfe bon Cöln hatten nichts für die Chriftianifirung Frieslands gethan; das Mainzer Bistum hatte feinen Antheil an der Bekehrung der Thüringer und Heſſen. Dort wie hier Hatte Rom für die Ver— breitung des Evangeliums geforgt, und die kirchliche Organifation

1) Beda, hist. ecelesiast. gentis Anglorum lib. V. c. 11, Monumenta historiea Britannica I. p. 258: Mox ut comperit Wilbrord datam sibi a prineipe licentiam ibidem praedicandi, acceleravit venire Romam ... ut cum ejus ‚Basi I.) licentia et benedictione ... opus iniret.

Willibaldi Vita $. Bonifacii c. 5. p. 443; dgl. dafı n. 2.

®) Beda p. 259; Alcuini Vita S. Willibrordi c. 6. 7, Migne Patr. lat, CI (Alcuini Opera T. IN). col. 697.

“) Epist. Gregor IL, Jaffe III. ep. 21. p. 81; epist. Karoli, Jaffe II. ep. 24. p. 84; Willibaldi Vita 8. Bonifatii c. 6. p. 451452.

®) Jaff6 III. ep. 19. 20. 22. 26. p. 79. 80. 8l. 87.

4 Capitel IV. 788.

ſollte daher den divecten, durch Feine Zwiſchenbehörde vermittelten Zu- fammenhang mit Rom wahren. Dies feheint mir der Leitende Ge— ſichtspunkt auch des Bonifacius gewefen zu fein, zumal in deſſen Heimath ganz ähnliche Verhäftniffe beftanden. So hatte einft König Yethilberht von Kent, durch den römiſchen Apoftel Auguftin für das Chriſtenthum gewonnen, im Jahre 605 bei Dover „auf Ermahnen des Papftes Gregor und des Anguftin“ zu Ehren Petri und Pauli ein Klofter gegründet, „um nicht undanfbar gegen den zu erſcheinen, von deſſen heiligem Sige aus uns, die wir im Schatten de8 Todes Taßen, das Licht der Wahrheit aufgegangen iſt.“ Dies Kloſter num, das er reich befchenft Hatte, übergab er der völlig unabhängigen Leitung de8 Abtes und feiner Brüder, ) und Auguftin, als Erzbiſchof von Dover, ſchließt fich der föniglichen Verordnung an, indem er allen feinen Nachfolgern im Erzbisthum unterfagt, irgend welche „Gewalt vder Herrſchaft über dies apoftolifche Kloſter, feine Ländereien und Kirchen auszuüben und den Abt anders denn als ihren Bruder und gleichgeftellten Genoſſen zu betrachten.) Der König und der Erz⸗ biſchof befräftigen ihre Worte durch einen ‚Hinweis auf des Papftes Drohung mit der Ercommunication, °) fodaß den beiden Urkunden ein päpftlihes Schreiben ähnlichen Inhalts zu Grunde gelegen haben muß, *) in welchem Gregor das Kloſter in feinen befonderen Schuß nahm; denn Auguftin erflärt: wer die Beftimmungen feines Privilegs verlegen würde, möge wiffen, daß der Heil, Petrus ihn durch feinen Stelfvertreter Gregor mit dem apoſtoliſchen Schwerte ftrafen werde. 5) Auch Hier alfo ein Beiſpiel von der Exemtion eines Kloſters aus der

1) Kemble, Cod. dipl. aevi Saxonici I. 4. p. 5: abbas ipse,- qui ibi fuerit ordinatus, intus et foris cum consilio fratrum, secundum timorem Dei, libere eam regat et ordinet; daſ. 8. p. 8: in ipsius abbatis sint omnia libera ditione.

%) Daf. 5. p. 7: ne quisguam unguam ullam potestatem aut domi- natum aut imperium in hoc dominicum vel apostolicum monasterium vel terras vel ecclesias ad illud pertinentes usurpare praesumat ... Abbatem & suis fratribus electum ... non ad suum famulatum, sed ad dominicum ministerium ordinet, nec sibi hunc obaudire, sed Deo suadeat: nec vero sibi subjectum, sed fratrem, sed consortem, sed collegam et comministrum in opus dominicum eum reputet. Non ibi missas, quasi ad süae ditionis altare, nec ordinationes vel benedictiones ugurpative sine abbatis vel fratrum peti- tione exerceat.

®) Auguftinus ſagt vom Könige, 5. p. 7: suoque regio privilegio et superni judicii imprecatione atque apostolica sancti papae Gregorii inter- minatione excommunicatoria contra omnem injuriam confirmavit; dann fährt ex fort: ego quoque, ejusdem libertatis adjutor et patrocinator, omnes succes- sores meos archiepiscopos ... obtestor atque apostolica patris nostri papae Gregorii interminatione interdico etc. J

Val. daf. p. 8: haec ergo.omnia ... apostolica ipsius institutoris nostri Gregorii comprobatione et auctoritate servanda sancimus suoque ore confirmamus.

5) Daf.: seiat se apostolico beati Petri gladio per suum vicarium Gregorium puniendum, nisi emendaverit.

Die Privilegien von Utrecht und Fulda. 45

ortöbifchöflichen Gewalt, 1) ohne daß, wie es fonft wohl öfter geichah, *) die canonifhen Befugniffe des Biſchofs vorbehalten wurden. Auf ähnliche angefjächftfche Beifpiele, felbft aus viel fpäterer Zeit, ift ber reits von anderer Seite hingewiefen ®) und als befonders bezeichnend mit Recht eine Bulle Sergius’ I. hervorgehoben worden, worin diefer Papſt 100 Jahre nach der Belehrung des Landes durch Auguftin zwei Klöfter unter die Jurisdiction und den Schug Petri ftellt und jeder anderen biſchöflichen oder priefterlihen Jurisdiction entzieht. *) Wie natürlich alfo, dag Wilibrord und Winfried den Inſtitutionen ihres Vaterlandes uud in diefem Punkte bei den Franken Eingang zu verſchaffen ſuchten.

Es dünft uns charalteriſtiſch, was Theodorich IV. im Jahre 723 bei Beftätigung der Freiheiten von ©. Denys zu dem Privilegium Chlodwigs II. vom Jahre 653 Hinzuzufegen für gut fand.) Während diefer nur unbeftimmt gefagt hatte, die Märtyrer Eleutherius, Rufticus und Dionyfins hätten die Palme des Sieges errungen, wußte jener von ihnen zu erzählen und Pippin nahm denjelben Zufag aud in fein Privilegium vom Jahre 768 auf,“) fie feien als die Erften nad) den Apofteln im Auftrage des Heil. Clemens, Nachfolgers des Apoftels Petrus, nach Gallien gefommen und, indem fie hier die Zaufe der Buße und des Sündenerlaffes predigten, als Märtyrer geftorben. 7) Scheint e8 nicht, daß mit diefem Hohen Alter und Ver- dienft der Stiftung ihre freie Stellung innerhalb der Parifer Diöcefe beffer begründet und gerechtfertigt werden folte? Der Heil. Dionyfius hatte als Glaubensbote Roms den erften Samen des Chriftenthume in Gallien ausgeftreut, unabhängig von dem Bisthum Paris, lange vor deſſen Eriftenz; wie follte S. Denys alfo nicht allezeit unabhängig bleiben? Das Privilegium Theodorichs erfolgte unter Vermittlung

FL Ein praerogativum ecclesiasticae libertatis privilegium genannt: daſ. 6.p.9.

2). 3. 8. im ber Urkunde des Biſchofs Erconwald von Effer vom Jahre 695, Kemble 88. p. 48.

) Th. Sicel, Beiträge zur Diplomatif IV. S. 630—632.

4) Gale, Historiae Britannicae etc. Scriptores I. p. 352—858 (Jaffe, Regesta pont. Roman. 1644): quatenus sub jurisdietione atque tuitione .. . beati Petri apostoli et ejus quam dispensamus ecclesiae et nunc sint et in perpetuum permaneant ... nulliusque alterius jurisdietioni sint subjecta nec quisquam episcoporum aut sacerdotum ... sibi in ea qualemcunque juris- dietionem defendere . jraesumat ... aut missarum solennia ibidem gerere, praeter si a religioso abbate et congregatione ascitus advenerit.

®) Pardessus II. p. 98. 338.

©) Sickel P. 80.

?) Qui primi post apostolos sub ordinatione b. Clementis, Petri apostoli successoris, in hanc Galliarum provinciam advenerunt ibique praedicantes baptismum poenitentiae in remissionem peccatorum palmam martyri merue- runt. P3 die Passio ss. mart; m Dionysii Rustici Eleutherii auch erft um jene Zeit entftanden i?_ X libien, histoire de l’abbaye de S. Denys, 1706, piöces justificatives, II. harte 1 $. 1. p. 168—165.

46 Capitel IV. 758.

Karl Martells, %) und deffen befonderen Gunft hatte ſich grade damals ſowohl Willibrord-Clemens als auch Bonifaz zu erfreuen. Grund⸗ fäge, die vielleicht unter ihrer Einwirkung auf die Verhältniſſe von ©. Denys angewendet wurden, mußten nothwendigerweife auch ihren eigenen Miffionsgebieten zu ftatten kommen, und wenigftens von Bonifaz wiffen wir, wie fehr ihm daran gelegen war.

Er, der fo viel über die im Franfenreihe vorgefundenen Bifchöfe zu Magen hatte, fonnte nicht wünſchen, daß ihmen die neubefehrten Rande übergeben würden. Damit wäre eine Gefahr für die Erhaltung der reinen vömifchen Lehre, aber auch eine Gefahr für das äußere Gedeihen feiner Stiftungen verbunden gewefen. Schon die älteften Canones ertheilten den Bifhöfen das Verfügungsrecht über die Güter der Kirchen, und man fam im 8. Jahrhundert öfter darauf zurück. 2) Darum war ja in den Tagen Karl Martelis fo mandes Bisthum an Laien verliehen worden, weil der damit verbundene Befig fie gereizt Hatte. 3) Ueber einen verurtheilten Bifhof klagt Bonifaz, daß er ſich auch nach der Degradation noch das Vermögen feiner Kirche anzu= eignen fuche.t) Man gewinnt zuweilen den Eindrud, als ob die bifchöfliche Gewalt in erfter Linie als eine weltliche Gewalt betrachtet worden fei. So fagt Lull einmal, freilich von einem „gottlofen Schismatiler“: „Er pflegte immer zu ſchwören, daß er nichts Irdiſches annehmen würde; plöglich und unerfehens ftand er als Biſchof da!“ 5)

Bonifacius fuchte daher ſowohl die Kirchen als auch die Klöfter feiner Gründung vor der Einfügung in einen äfteren fränkiſchen Didcefan- oder Metropolitanverband zu bewahren. Als er im Jahre 742 die drei Bisthumer Würzburg, Buraburg und Erfurt ftiftete, beeifte er fi) vor Allem, fie unmittelbar unter den Papft zu ftellen, als deifen Stellvertreter er ja gehandelt Hatte. °) Nicht allein, daß er diefen zur Sicherung gegen jeden Eingriff um eine Beftätigungs-

1) Missa petitione per illustri viro Carlo majorem-domus nostro.

®) Bgl. epist. Gregorii II, 722 1. Dec., Jaffe IIL ep. 19. p. 79: De reditu vero ecclesige vel oblatione fidelium quattuor faciat portiones ete., wörtlich mit einer formel des Liber diurnus Romanorum pontificum übere fimmend. $erner Capitula Synodi Aschaimensis c. 8, Pertz LL. III. p. 457: De potestate episcoporum . ... ut ecelesiasticis rebus dominentur atque spensando provideant etc.

®) Epist. Bonifacii (742), Jaffe III. ep. 42. p. 112: episcopales gedes traditae sunt Iaicis cupidis ad possidendum.

+) Epist. Zarhar., 761 4. Nov., Jaf6 II. ep. 80. p. 225: Episcopus autem condemnatus ... qui reg ecclesiae post degradationem sibi vindicare nitetur.

®) Jaff& III. ep. 111. p. 274: Qui semper jurare solebat, nihil se terreni accepturum, cum subito ex improviso velut novum fantasma episcopus

apparuit.

®) Epist. Zachar., 743 1. April, Jaff6 III, ep. 44. p. 128, ep. 45. p. 125: " quae [ordinatio] dignante Deo ex nostra praeceptione in vobis facta est, &gt. Ännal. Lauriss. min. a. 5. Pippini: annuente Carlmanno et auctoritate apostolici papae.

Die Privilegien von Utrecht und Fulda. 47

urtunde bittet, ) die Zacharias denn auch kraft feines Apoftelamts ausfertigen zu dürfen meint, 3) ein anderes Moment macht die unmittelbare Unterordnung unter Rom ganz unzweifelhaft. Zachartas beitimmt nämlich, daß nad) dem Ableben der erfteingefegten Biſchöfe fein Anderer als „derjenige, welder die Stelle unferes apoftolifchen Stuhles in jenen Landestheilen vertreten wird,“ einen Nachfolger zu ordiniven habe. °) Neun Jahre fpäter freilich unterftellt er, dem Wunſche der Franken fid fügend, *) auch das Miffionsland des Bonifaz der neugegründeten Metropole Mainz; °) aber grade das trug vielleicht wejentlicy dazu bei, Bonifaz gegen eine Stellung einzunehmen, bie feine Pflanzungen ihm nicht als päpftlihem Legaten, fondern als fränkiſchem Kirchenfürften unterordnete, die unmittelbare Beziehung derfelben zu Rom alſo für die Zufunft löfte.

Für das Verftändnig der in das Jahr 753 fallenden Verhand⸗ lungen in Betreff des Bisthums Utrecht und des Kloſters Fulda ſchien e8 uns unerläßlich, die vorftehenden alfgemeineren Betrachtungen vorauszufciden. Denn Friesland und die Hefjfch-tääringifchen Land- ſchaften, dieſe zwei Flügelgebiete des heidniſchen Sachjenlandes, bildeten den vornehmlichſten Schauplag aller Mifjionsthätigfeit in der Periode, welche den Regierungsjahren Karls des Großen voranging. Aus der Fürforge für die Freiheit diefer jüngften Eroberungen des Chriften- thums erklären fi die Veftrebungen des Bonifaz, welche wir im Folgenden zu ſchildern haben.

Wir wenden uns zunächft den Angelegenheiten der friefifchen Kirche zu.

’) Jaff& III. ep. 42. p. 112: Haec tria loca propris carta auctoritate apostolatus vestri roborare et confirmare enter postulamus: ut ... per auctoritatem et praeceptum sancti ‚Petri, jussionibus apostolieis, fundatae et stabilitae sint tres in Germania episcopales sedes; et ut praesentes vel futurae generationes non praesumant, vel parrochias corrumpere vel violare

praeceptum apostolicae sedis.

%) Jaff II. ep. 43. p. 117: Quae auctoritate beati Petri apostoli firma esse deererimus; vgl. ep. 44—45. p. 123—125.

®) Jaff6 II. ep. 44—45. p. 123--125: et hoc interdicentes, ut nullus audeat ... ordinare episcopum post vestram de hoc seculo evocationem, nisi is, qui apostolicae nostrae sedis in illis partibus praesentaverit vicem.

+) Epist. Zachariae 751 4. Nov., Jaff& III. ep. 81. p. 297: juzta . Francorum petitionem.

) Daj.: et omnes Germaniae gentes, quas tua fraternitas per suam predicationem Christi lumen cognoscere feeit.

48 Capitel IV. 758.

2. Atretht.)

„Am wetlichen Ufer des Fluſſes Laubach (Laumers, Lagbeki) war die Grenze ber chriſtlichen und heidnifchen Friefen in allen Tagen des Königs Pippin.“ ?) Diefe Worte Liudgers geben den wichtigfien geographifchen Anhaltspunkt für die Gefchichte der Unterwerfung und Bekehrung des Friefenftammes. Das öftlichere Land zwifchen Laubach und Weſer war demnach zu der Zeit, mit welcher wir uns hier be ſchäftigen, noch in feine Beziehung zum Frankenreiche getreten; nur Weitfriesland vom Sinkfal bis zum Fli und Mittelfriesland zwifchen ZU und Laubach Hatten fich erft der Gewalt fränfifcher Waffen, dann der chriftlichen Glaubenslehre ergeben. Es war dies, gleich der fpäteren Unterwerfung des Sachſenlandes, ein Werk des karolingiſchen Herrfcher- haufes. Pippin von Heriſtall Hatte 689 über Ratbod gejiegt und alles Land weitlih vom Fli in Befig genommen; dann hatte Ratbod zwar durch einen Sieg über den jungen Karl im Jahre 714 den alten Umfang jeiner Macht wiederhergeftellt, gleich nad, feinem Tode jedoch (719) drang Karl bis zum Si, fpäter nad fünfjährigen Kämpfen mit Herzog Poppo 734 fogar bis zum Lauwers vor, und bis zum Jahre 785 behielt dann das fränkische Herrfchaftsgebiet in jenen Gegenden biefelbe Ausdehnung, wie fie von Karl Martell begründet worden war. °)

Zugleich hatte unter dem Schutze der Farolingifhen Hausmaier das Chriftenthum bei den Sriefen Eingang und Verbreitung gefunden ; dem angelfähfischen Miſſionär Wilfibrord gebührt der Name des Apoftels der Triefen. Denn faum Hatte Pippin ihm die Erlaubniß zur Predigt gegeben, fo eilte er nad) Rom, um unter des Papſtes Sergius Zuftimmung und Segen das Werk zu beginnen; hierauf verfündete er weit und breit im Lande das Wort des Glaubens, brachte Diele vom Heidenthum zurück und baute Kirchen und Klöfter; das Caftell Utrecht aber wies Pippin ihm ala Bifchofefig an.*) So berichtet noch bei Lebzeiten Willibrords 5) der angeiſächſiſche Priefter Beda, und feine glaubwürdigen Worte werden durch die Mittheilungen des Bonifaz, die fih in einem Schreiben deffelben an den Papft Stephan finden, theils beftätigt, theils ergänzt. %) „Zu den Zeiten des Papftes Sergius,

) Das Wert von W. Moll, Kerkgeschiedenis van Nederland vösr de hervorming, D. 1. (1864), ftand mir nicht zur Benugung. ®) Vita S. Gregorii abb. Trajectensis c. 10, Mabillon Acta SS. III. 2. . 326: usque in ripam oceidentelem Auminis quod dieitur Lagbeki, ubi con- inium erat christianorum Fresonum ac paganorum cunctis diebus Pippini regis. °) ®gl. Karl v. Richthofen, Lex Frisionum, Pertz LL. III. p. 641—643. ._) Beda, hist. eccles. gentis Anglorum lib. V. c. 11, Monumenta historica Britannica I. p. 269. >) Daj. p. 260: adhue superest; Beda ſtarb 785, Willibrord 739. °) Jaff6, Bibl. III. ep. 107. p. 259.

NT Die Privilegien von Utrecht und Fulda. 49

erzähft diefer, fam an die Schwellen der Apoftel ein Priefter von wunderbarer Tugend und Heiligkeit, ein Sachſe von Geſchlecht, Namens Wilbrord, auch Clemens genannt; ihn erhob jener Papft zum Biſchof und fandte ihn zur Belehrung der heidniſchen Frieſen an die Geftade des Weftmeeres. Hier predigte er 50 Jahre hindurch und befehrte genanntes Volk großentheils zum Glauben Chrifti, er zerftörte Haine und Tempel, erbaute Kirchen und gründete ſich als Biſchofsſitz eine Kirche zu Ehren des heil. Erlbſers in dem feiten Orte Trajectum. Und im Beſitze jener Salvatorkicche, welche er ſich erbaut, ſetzte er jeine Predigt bis in fein ſchwaches Greiſenalter fort." Bonifaz hebt in dem weiteren DBerlaufe des DBriefes nochmals ausdrücklich hervor, daß „das Bol der Frieſen Heidnifch geblieben fei, bis das ehrwürdige Oberhaupt des römiſchen Stuhls, Sergins, den genannten Knecht Gottes ihm als Bifchof zur Belehrung ſchickte; diefer habe jenes Volk, wie gefagt, zum Glauben Chrifti befehrt.” ) Damit ftimmt wiederum Beda überein, indem er von den zweijührigen Bekehrungsverſuchen des Angelſachſen Wigbert, welde unmittelbar vor die Zeit Willibrords fallen, fagt, er habe bei feinen barbarifchen Zuhörern aud) nicht den mindeften Ertrag jo vieler Mühe geerntet. ?)

Nicht ohne Grund verweilen wir bei den Anfängen des Chriften- thums unter den Frieſen; denn dieſe Nachrichten find von entideiden- der Wichtigkeit für die Prüfung zweier nur abfhriftlich vorhandenen Urkunden Pippins zu Gunften des Utrechter Martinsftifts. °)

Die eine derfelben, die, zu Verberie ausgeftellt, den 23. Mai 753 als Datum trägt, *) ift troß der Verderbtheit des Textes?) und trotz der Bezeichnung des mittleren Pippin als Königs der Franken doc völfig unverdächtig; °) e8 ift die Beſtätigung eines Diploms der Vor-

1) Jaff& Bibl.IIL. ep. 107. p. 260 --261: pagana permansit gens Fresorum, usque quod venerandus pontifex Romanae sedis Sergius ... Wilbrordum episcopum ad praedicandum supra dietae genti transmisit; qui illam gentem, ut praefatus sum, ad fidem Christi convertit.

3) Beda hist. ecel. gentis Anglorum lib. V. c. 9. p. 257: neque aliquem tanti laboris fructum apud barbarog invenit auditores.

®) Sickel P. 5. 6. Die ältefte Form ihrer Ueberlieferung gewährt ein dem 11. Zahchundert angehöriger Cod. Cotton. des brit. Mufeums, „Tiberius C. XI.“, aus weichem id; durch freundliche Vermittlung eine Abjchrift befige. Doch ergab die Vergleichung mit ben bereit vorhandenen Druden eine zu geringe Ausbeute, als daß ein nochmaliger Abdrud am Plage geweien wäre. Die erheblicheren Barianten werde ich an geeigneter Stelle in den Anmerkungen verzeichnen.

4) Sickel P. 5. .

%) Zur Berichtigung wäre die Urkunde Karls des Großen, Sickel K. 2, zu benugen. Der Londoner Eoder hat das Diplom zweimal, fol. 26 B. und fol. 27B.— 28A. Ye beiden Copien fehlen die Worte renovare vellemus , ſowie am Schluſſe das finnlofe Interpunctionszeichen vor cognoscite; ftatt spectare Haben fie sperare und bergl. mehr. Am erheblichſten wäre noch die Stelle fol. 26 B.: omnia decima partem ad ipsa casa Dei sancti Martini quem [sie!] domnus Bonefacius archiepiscopus custos preesse videtur concessimus vel con- firmamus in luminaribus etc.

®) ®gl. Sickel P. 5.* p. 218.

Yahıb, d. diſch. Gef. Delsner, König Pippin. 4

50 Capitel IV. 788.

gänger, Pippins von Heriftall, Karl Martells und Karlmanns, die ihrerjeits wiederum von des Königs Pippin Nachfolgern, Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen, erneuert.twird. Auch in bem obenangeführten Schreiben des Bonifaz an Papft Stephan ift von der Martinskirche die Rede. Schon unter dem alten Könige Dagobert nämfid) war die fränkiſche Herrſchaft einft über Utrecht ausgedehnt und dies Caftell fammt einer Kirche dajelbjt zur Parochie des Biſchofs von Cöln gejchlagen worden. Willibrord fand dies Kirchlein zerjtört, von den Heiden bis auf den Grund vernichtet, *) und er errichtete das Gebäude von neuem und weihte e8 dem heil. Martin. ®) Pippin der Ueltere befchenkte das Stift mit dem Zehnten alles Fiscalguts, der Ländereien, der Sklaven, der Zölle, ber Handelsabgaben; “) Karl Martell und Karmann wiederholten die Schenkung. °)- Diefe Gunft- bezeigungen der farolingifhen Hausmaier haben durchaus nichts Be— fremdendes: von Karl Marteli liegen in zwei Diplomen aus den Jahren 722 und 726 noch anderweitige Beweiſe feiner Fürforge für Willibrord und die Utrechter Kirche vor; ©) Karlmann aber trug dem Bonifaz auf, für den erledigten Sig Willibrords einen neuen Biſchof aufe zuftellen und zu ordiniren, was diejer auch that. ”) König Pippin ſchloß fih nun auf Erſuchen des Bonifaz °) feinem Großvater, Vater und Bruder in der Schenkung für die Martinskirche an; er wird, wie fein Vater, auch anderen friefifchen Stiftungen feine Gunft zuge wendet haben, das Diplom für S. Martin Hat fi zufällig erhalten. Das Stift war, wie aus der Urfunde hervorgeht, eine wichtige Pflanze ftätte des Chriſtenthums unter den riefen; denn die verlichenen Fiscaleinkünfte follten den Mönchen und Kanonikern zu ftatten kommen, „welche dafelbft die Heiden zum Chriftentfum befehren und die Ber Tehrten in der Beobachtung der neuen Religion unterweijen.” °) Ohne Zweifel Haben wir hier an jene vielbefuchte Klofterfchule von Utrecht zu denken, welcher nach des Bonifacius Tode fein Schüler Gregor als Priefterabt vorftand. 1°) Wenn die Urkunde Pippins daher das Meartinsmünfter mit dem Bisthum identificirt,1) während die bifchöfliche

1) Sickel K. 2, L. 58.

*) Epist, Bonif, Jaff& Bibl. TIL. ep. 107. p. 261: destructae ecelesiolae fundamenta deruta et a paganis conculcata.

®) Daf. p. 260: et eam proprio labore a fundamento construxit et in honore sancti Martini consecravit.

*) ©. Sickel P. 6.

®) Daf.: per eorum instrumenta.

°) Heda, historia episc. Ultraject., notis illustrate ab Arn. Buchelio, 1642. p. 28. 30; Bouquet V. p. 699. 705; Pardessus II. p. 334. 347.

?) Epist. Bonif., Jaffe III. ep. 107. p. 260: Carlmannus commendarit mihi sedem illam ad constituendum et ordinandum episcopum. Quod et feci. r] Sickel P. 5: venerabilis vir Bonefacius archiepiscopus nobis expeciit. °) Qui ibidem gentiles ad christianitatem convertunt et Domni migeri- cordia ipsos conversos quos habent doceant.

’) Vita Gregorii abb. Traject. c. 15, Mabillon Acta SS. III. 2. p. 829.

1) Ad ipsa casa Dei concessit vel ad illo episcopatu.

Die Privilegien von Utrecht und Fulda. 51

Kirche doch ausdrücklich als Kirche des Heil. Erlöfers bezeichnet ift, ) fo darf dies, ähnlich jenem Ausdrude „König der Franken“ fiir Pippin von Heriftall, als eine, fei es abfichtliche oder unabſicht- liche, Ungenauigkeit der Abſchrift angefehen werden, ohne daß dadurch ein Zweifel an der Echtheit de Diplome begründet würde.

Ganz anders verhält es fid jedoch mit der zweiten, undatirten Urkunde, einem Immunitätsdiplom, welhesg. Pippin, ebenfalls auf Bitten des Bonifaz, ?) nach dem Vorgange zweier merowingiſchen Könige, Lothar und Theodebert, zu Gunften der Martinskirche erlaffen haben ſoll. °)

Zunähft ift gegen die Annahme einer gleichzeitigen Ausfertigung mit der erften Urkunde wohl mit Grund einzuwenden, daß die beiden Diplome von verfchiedenen Kanzlern unterzeichnet find, jenes von Widmarus, der aud noch in 3 anderen Urkunden der Koönigszeit vor— fommt, diefes von Wineramnus, der fonft nur in Pippins Hausmaier- urkunden begegnet. 4)

Dies letztere Faktum, daß Wineramnus in feinem anderen Docu- mente nad) der Königsfrönung Pippins wieder erfcheint, ift für die Beurtheilung der Urkunde überhaupt beachtenswerth. Wir bemerken weiter, daß die Smmunitätsprivilegien Lothars und Ludwigs des Deutjchen für ©. Martin) fi wohl auf ein gleiches Privilegium Ludwigs des Frommen, aber nicht auch ausdrüclich auf@ein ſolches von Pippin oder jenen zwei merowingifchen Königen beziehen, fondern nur alfge- mein fagen, in Ludwigs Urkunde fei bemerkt, daß nicht er allein, fondern auch feine Vorgänger, die Könige der Franken, jener Kirche die Immunität verliehen Hätten. ©) Ludwigs Urkunde ift freilich ver- toren; - doc; fcheint gewiß, daß die Berufung auf das Beifpiel der Vorgänger darin ebenfo allgemein gehalten gewefen. Denn wo Ludwig diefelben mit Namen genannt hat, find dieſe aud) in die abgeleiteten Urkunden übergegangen: fo nimmt Zwentibold auf Ludwigs Zehnt-

!) Epist. Bonif., Jaffe III. ep. 107. p. 260: et sedem episcopalem et ecelesiam in honore sancti Salvatoris constituens in loco et castello quod dicitur Trajectum; et in illa sede et ecclesia sancti Salvatoris, quam construxit, praedicans usque ad debilem senectutem permansit. Aud} in der Vita Gregorüi iſt vom diefer Kirche die Rede: der fterbende Gregor jussit se ante oratorium sancti Salvatoris a discipulis portari; Mabillon III. 2. c. 22. p. 338.

) Apostolicus vir et in Christo pater Bonifacius urbis Trajectensis episcopus clementise regni nostri suggessit.

®) Sickel P. 6 [763, Mai].

+) Bol. Sidel, UL. ©. 76. Wir Haben zwei unzweifelhaft gleichzeitige Urkunden gimine mit vollfändigem Protokoll, für Fulda und S. Denys, vom Juli 766,

ickel P. 24. 25, und beide tragen die gleichen Namen des Baddilo und des Hitherius.

%) Seda.©. 52. BB.

*) Obtulit obtutibus nostris authoritatem immunitatis .. . Ludovieci piissimi Augusti, in qua erat ingertum, quod non solum idem dominus et genitor noster, verum etiam praedecessores ejus, reges videlicet Francorum, eidem ecclesiae sub tuitione et defensione eorum ... consistere fecerant,

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verleifung Bezug und nennt, wie dieſer felbft, die Könige Pippin, Karl und ihre Vorgänger als Urheber gleicher Gunftbezeigungen. *) Ja, von der Zehnturfunde liegen ſämmtliche -Beftätigungen, die des Königs Pippin, Karls des Großen, der beiden Ludwige, Zwentibolds und Conrads, noch ihrem ganzen Wortlaut nad) dem Könige Heinrich vor; ?) und ſchon Kaifer Ludwig hätte das Immunitätsprivilegium Pippins, wenn es wigklich je erlaffen wäre, nicht mehr ausdrüdlich angeführt? Doc) diefe Umftände insgefammt würden, ebenfo wie mancher fehlerhafte Ausdrud, fein Hinreicendes Zeugniß gegen die Echtheit der Pippiniſchen Urkunde fein, wenn nicht ein entjcheidendes Argument hinzufäme: der Widerſpruch nämlich, in welchem der Inhalt . der Urkunde mit dem mehrerwähnten Schreiben des Bonifaz an Papft Stephan DI. fteht.

Jenem Diplom zufolge hatten die Könige Lothar ®) und Theode⸗ bert 4) der Martinskirche zu Utrecht über die Ortfchaften, melde zu ihrem Beſitze gehörten oder künftig gehören würden, volle Immunität ertheilt. Bonifaz legte ihre Originalurfunden dem Könige Pippin mit der Bitte vor, daß, obwohl das Stift ſich auch in der Gegenwart jener Vergünftigung erfreue, ®) der Konig diefelbe doch von neuem beftätigen möchte. Dies gefdhieht, indem Pippin alle gegenwärtigen und fünftigen Güter der Kirche gleich feinen Vorgängern mit ber Immunität ausftattet And jene Verleihung, wie fie bis dahin aufrecht erhalten worden, ©) auch in Zufunft erhalten wiffen will. Inhalt und Wortlaut der Urkunde find der üblichen Formel genau nachge— bildet und die fehlerhaften Stellen danach leicht zu corrigiren. 7) Unfere Bedenken gegen die Echtheit aber beruhen auf folgenden Erwägungen:

I. Das merowingiihe Diplom ſpricht von einer Martinskirche, und doch läßt der Brief des Bonifaz feinen Zweifel zu, daß erft Wilfibrord der wiedererbauten Kirche diefen Namen gegeben. Diefer

3) Ludwig jagt, Heda ©. 45: detulit mansuetudini nostrae quasdam autho- ritates constitutionum, qualiter dominus et genitor noster Carolus ... et avus noster Pippinus et antecessores eorum etc. Zwentibold, Heda &. 63: obtulit authoritatem Ludovici ... in qua erat insertum, qualiter Carolus genitor suus ... et arus Pippinus rex et antecessores eorum etc.

3) Heda ©. 79.

®) L, 500-561.

IL, 586-612.

®) Ipsum beneficium circa eandem aecclesiam sancti Martini, sient & supra dictis prineipibus fuit indultum, moderno tempore asserit esse con- servatum. .

°) Sieut ipsa beneficia ... fuerunt indulta et usque nunc conservata.

?) Statt integra et imminuta lies integram immunitatem, ftatt ita ut inantea lie i. et i., ftatt legitimo redibit initio lies 1. r. mitio. In dem oben ©. 49. N. 3 genannten Gopialbud; des brit. Mufeums findet ſich an allen drei Stellen der richtige Ausdrud. Bon fonftigen Tertverſchiedenheiten wäre zu er- wähnen, daß von den Worten Bonifacius urbis Trajectensis episcopus im Manufeript das Wort urbis fehlt, dafür aber ein leerer Raum gelaffen ift; nach Cojus petitionem pro reverentia ipsius fehlen die Worte sancti loci,

Die Privilegien von Utrecht und Fulda. 53

fand, fagt Bonifaz, das alte Kirchlein von den Heiden bis auf den Grund zerjtört, er baute die Kirche mit eigner Anftrengung wieder auf und weihte fie zu Ehren des heil. Martin. 1) Eine Erläuterung zu bdiefen Worten bietet uns abermals Bedas Kirchengefchichte, im welcher erzählt wird, Willibrord habe aus Rom Reliquien der Heiligen mitgebracht, um fie bei Errichtung von Kirchen in Bereitſchaft zu haben und jede derfelben demjenigen Heiligen zu weihen, deffen Gebeine in ihr aufbewahrt würden. 2) Sonach erſcheint e8 als ein Anachronismus, der nur durch Unechtheit der Urkunde zu erflären ift, daß ſchon in den älteren merowingifchen Zeiten von der Exiftenz eines Martins» ftiftes geredet wird.

II. Noch wichtiger ift, was die Urfunde von den Befigungen diefer Kirche fagt, wonach ganze Dorfſchaften damals ihr Eigenthum waren und die Erwerbung der Immunität wünſchenswerth machten. Wie vereinigt ſich dies mit der anderen Thatfache, daß ſchon Dago- bert, ) al8 er in den Beſitz Utredhts gelangte, nur ein Kirchlein dafelbft vorfand, welches er dem Cöfnifchen Sprengel einfügte? 4) Wie verträgt es ſich ferner, daß nad) feiner Zeit ganz Friesland wieder ins Heiden- thum zurüdfiel und die Immunität dod) bis in die Tage des Bonifaz Beſtand gehabt haben follte? *) Sind die hierauf bezügfichen Worte auch ftehende Formel, jo kann doch nicht angenommen werden, daß man ſich derjelben wider befferes Wiffen bedient habe. Wäre aber auch die Immunität erft in den Tagen der karolingiſchen Hausmaier wieder zu erneuerter Geltung gelangt und der Wortlaut der Urkunde ©) in diefem Sinne zu deuten, fo hätte ſich Bonifaz ja gewiß auch hier, wie bei der Bewilligung des Zehnten, nicht mır auf die meromwingifchen Diplome, fondern zugleih auf die der Ahnen Pippins geftügt. Es ift geradezu unvereinbar, daß derjelbe Bonifaz, der das Werk der Frieſen⸗ befehrung in feinem Briefe an den Papft fo beftimmt, man Tann fagen tendenziös, den legten 50—60 Jahren zufchreibt, zu gleicher Zeit in einer an den König gerichteten Petition ſich Hätte bemühen folfen, das 200jährige Beſtehen einer veichbegüterten frieſiſchen Kirche nachzuweiſen.

1) Jaff6 III. ep. 107. p. 260: derutam usque ad solum [ecclesiolam] in eastello Trajecto repperit et eam proprio labore a fundamento construxit et in honore sancti Martini consecravit.

*) Beda, hist. ecel. gentis Anglorum, lib. V. c. 11. p. 258: quibus [reliquiis sanctorum] ibidem depositis, in eorum honorem, quorum essent ülae, singula quaeque loca dedicaret.

®) L, geft. 638.

, ) Epist. Bonif., Jaff6 III. ep. 107. p. 260.

®) Daf. p. 260-261: Non praedicavit [episcopus Colonensis], non con- vertit Fresos ad fidem Christi; sed pagana permansit gens Fresorum, us- que dum ... . Sergius.. . . Wilbrordum episcopum ad praedicandum supra dietae. genti transmisit; qui illam gentem ... ad fidem Christi convertit,

©) moderno tempore asserit esse conservatum.

54 Capitel IV. 788.

Somit fällt das Immunttätsdiplom Pippins fir Utrecht, ) und mit ihm von felbft das vielbefprochene Utrechter Bisthum des Bonifaz, von welchem nur hier, ) fonft nirgends, eine Spur ſich findet. Die Falſchung gehört eben jenen .päteren Zeiten an, in denen man hohen Werth darauf legte, den friefiichen Biſchofskatalog mit dem Namen des Heiligen zu ſchmücken. Als einft die Brüder Karlmann und Pippin den römifchen Glaubensboten zum Primas der geſammten fränkiſchen Kirche zu erheben gedachten, da ordnete der Erftere auch Utrecht ihm unter, ) und Bonifaz befegte das verwaifte Bisthum, grade wie er in Würzburg und Eichftädt Bifchöfe einfegte. ) Wahr: fcheinlich wählte er dazu denfelben Mann, den einft ſchon Willibrord, als er in Hohen Jahren ftand, zu feinem Chorbiſchof gemacht hatte, 5) Sein Name aber war Eoban, wie Willibald ausdrücklich bezeugt, °) und wenngleich, biefer für ihn auch dann nod) die Bezeichnung Chor» bifchof wählt, fo nannte er ſich felbft doch Biſchof, als er 753 das tönigliche Privilegium fir Fulda unterfchrieb. 7)

Bonifacius Tieß fich allerdings aud ferner noch das Wohl des Bisthums Utrecht angelegen fein, wie er ja auch für Fulda beforgt war, obwohl er diefem Klofter in Sturm fchon feit lange einen Abt gegeben hatte. Die erneuerte Bewilligung des Zehnten für S. Martin wird nicht die einzige materielle Erwerbung geweſen fein, welde bie "Kirchen des Utrechter Sprengel® feinen Bemühungen zu verdanten hatten. Viel wichtiger aber war, gewiß auch in feinen Augen, die Erledigung eines Streites, der die ganze Stellung der friefiichen Kirche betraf.

Der Biihof von Coln nämlih wir werden ihn fpäter unter dem Namen Hildegar wiederfinden %) erhob jet gegen die Selb» ftändigfeit des Utrechter Bistyums auf Grund der vorerwähnten Maß- regel König Dagoberts Einſpruch.“) Diefer habe, behauptete er, das

A) Diefelbe Anſicht ſprach ſchon Rettberg aus (I. ©. 394; II. ©. 502. 527), doc) ohne fie zu begründen. Mabillon, den er anführt, äußert nur, daß er das geimtpriiteg Agpine für magis sincerum et genuinum halte (annales ord. s.

. IL p. 161).

2) ©. oben S. 510.2; ©. 52. 7.

%) ©. oben ©. 50 N. 7.

9 Willibald, Vita 8. Bonifacii, faßt e8 entſchieden ebenfo auf, da er von beiden Ordinationen mit ähnlichen Worten redet, p. 461: jam sibi suaeque in- firmitati, longevo aetatis senio decrepitus, salabre exhibuit consilium .. . et duos bonae industriae viros ad ordinem episcopatus promorit, Willibal- dum et Burchhardum; p. 463: quem [chorepiscopum Eoban] ad subvenien- dum suae senilis aetatis debilitati Fresonis, injuncto sibi episcopio in urbe quae vocatur Trehct, subrogavit.

) Epist. Bonif,, Jaff& IIL. ep. 107. p. 260: Et sibi corepiscopum ad ministerium implendum substitnit.

% ©. die vorftehende Note 4.

?) Dronke, Cod. dipl. Fuldensis 5. p. 4: Signum Eoban episcopi.

2 ©. unten Cap. VL.

) Sonderbare Srrthümer begeht der Geſchichtſchreiber der Stadt Eöln, wo er diefes Streites gedenkt. „Nach dem Tode des durch Vonifacius zum Biſchof

Die Privilegien von Utrecht und Fulda. 55

Caſtell Utrecht fammt der dafelbft befindlichen Kirche der Colniſchen Varochie untergeben mit der Bedingung, daß der Biſchof von Cöln das Vollk der Friefen zum Chriftenthum befehre. Daher forderte er den ehemaligen Sig Willibrords für ſich zurüd und beftritt ihm den Charakter eines biſchöflichen Sites. Bonifacius Hatte zweierlei zu erwibern: erftens nämlich hätten die Cölner Bifchöfe jene Bedingung Dagoberts nicht erfüllt, die Frieſen feien heidniſch geblieben, bis Papft Sergius den Willibrord mit der Predigt dafelbft betraut. Sodann fei auf das winzige umd obendrein längſt verfchüttete Kirchlein aus der Zeit Dagoberts weniger Werth zu legen, als auf die Vorſchrift des apoftolifchen Stuhls, auf die päpftlihe Ordination und das Legaten- amt Willibrorde. Utrecht müffe daher ein Bifchofsfik bleiben, dem römifchen- Papfte unmittelbar unterthan, weil zur Belehrung der Friefen gegründet, von denen noch immer ein großer Theil heidniſch fei. )

Diefe Discuffion, welche, nad einigen Ausdrücken des darüber vorliegenden Berichtes zu ſchließen, bei einer perfönlichen Zufammen- kunft der beiden Kirchenhäupter ftattgefunden hatte, blieb ohne Refultat. Da der Biſchof von Cöln nicht nachgeben wollte, wandte ſich Bonifaz an das Urtheil des Papftes Stephan, und indem er ihm die Streit frage darlegte, erflärte er fich, falls der Papft feiner Meinung nicht beiftimme, zur Nachgiebigfeit bereit; falls jener jedoch fein Auftreten bilfigte, erbat er fi) aus dem Archiv der römischen Kirche eine Ab⸗ ſchrift der Inſtruction, welche einft Sergius dem zum Bifchof ordinirten Willibrord gegeben hatte. ®)

Es ift klar, was beide Gegner wollten. Der Biſchof von Eöln forderte nicht etwa eine Metropolitangewalt über das Bisthum Utrecht, fondern die Einverfeibung des friefiichen Gebiets in feine Diöcefe, indem er ihm grade den Charakter eines bifchöflichen Gebietes ftreitig machte. Bonifaz hinwiederum wünſchte nicht nur diefen bifchöflichen Charakter gewahrt, fondern, was ihm das Wichtigere war, die uns mittelbare Unterordnung Frieslands als eines von Rom aus hriftiani- firten und immer noch zu hriftianifirenden Landes unter den päpftlichen Stuhl. Ohne Zweifel gedachte er das aus Rom erbetene Schreiben des Sergius in gleicher Weife, wie er es mit dem Privilegium des Zacharias für Fulda that, dem Könige vorzulegen, um von diefem _

von Utrecht ernannten Willibrord, fagt er, beftritt Hildegar von Cöln das Recht, einen neuen Bifchof für die Utrechter Diöcefe zu beftellen ... Bonifacius erfuchte den Bapft Stephan IL, traft päpftlicher Machtvolllommenheit die obſchwebende Frage zu entſcheiden und den Cölner Stuhl ... mit feinen Anfprüchen auf die feiefifehe Provinz abzuweiſen. Stephan ſcheint fih zu Gunflen des Bonifacins entſchieden zu haben:” Ennen, Geſch. der Stadt Eöln I. (1868), ©. 191. Er Überfieht, daß Wilisrord 739 farb, während Stephan IL. erft 752 Papft wurde. Ganz —— aber iſt die angebliche Einſetzung Willibrords durch Bonifaz.

) Epist. Bonif., Jaſté II ep. 107. p. 261: Fiat sedis episcopalis, sub- jeeta Romano pontifiei, praedicans gentem Fresorum, quia magna pars ilorum adhuc pagana est.

3) Daf. p. 259--261.

56 Capitel IV. 768.

ein ähnliches Diplom für Utrecht zu erlangen, wie es ihm für fein Kloſter zu Fulda erteilt worden ift.

Ueber den weiteren Verlauf des Streites Tiegt jedoch feine aus- drückliche Nachricht vor. In einem fehr ähnlichen Falle, der fich einft im Anfange der Wirkſamkeit des Bonifaz, 724, zugetragen und offenbar das mitteldeutiche Miffionsland betroffen Hatte, war Papſt Gregor II. auf die Seite des Bonifaz getreten und für deſſen Anficht auch den Hausmaier Karl Martell zu gewinnen bemüht. *) In gleichem Sinne fiel gewiß auch diesmal die päpftliche Entſcheidung aus; beide Gegner jedoch eveilte fehr bald der Tod durch Heidenhand. Vielleicht wollte Hildegar etwas verjpätet nachholen, was Dagobert einft feinem Vor- gänger in Betreff der Heidenmiffion aufgetragen hatte, indem er König Pippin in den Sachſenkrieg begleitete. Auch des Bonifaz Tod wird früher erfolgt fein, als ihm die Entſcheidung Stephans zukommen fonnte. Daß fie aber feinem und dem eigenen päpftlichen Intereſſe entfprach, beweiſt wohl die glei) darauf von Pippin und dem Papfte Stephan unmittelbar ausgehende Ernennung Gregors zum Nachfolger des Märtyrer in der friefifchen Miffion. °)

3. Fulda.

Die Gründung des Klofters Fulda fällt in die Zeit, da Bonifaz noch ausfchlieglich in der Eigenschaft eines päpftlichen Legaten unter den Franken wirkte, als weder Mainz noch auch Cöln bereits zu feiner Metropole erwählt war. 3) Die Gründung diefes Klofters jteht daher in engem Zufammenhange mit feiner apoftolifhen Sendung. Es ift wohl wahr, daß dajjelbe durch feine einfame Lage aud den Zwecken der Asceje zu dienen beftimmt war; *) allein Bonifacius hebt doch mit befonderem Nachdruck Hervor, daß der Ort mitten unter den

1) Epist. Gregorüi II. papae, 724 4. Dec., Jaffé II. ep. 25. p. 86: Porro pro episcopo illo, qui nunc usque desidia quadam in eadem gente praedicationis verbum disseminare neglexerat, et nunc sibi partem quasi in parrochiam defendit, Carolo excellentissimo flio nostro patricio, ut eum Conpescat suadentes, paternis litteris scripsimus. Et credimus, quod hoc vitari praecipiat,

®) Vita Gregorii abb. Trajectensis c. 14, Mabillon Acta SS. III. 2. p- 329: post martyrium sancti magistri . . . ipse quoque beatus Gregorius & Stephano apostolicae sedis praesule et ab illustri et religioso rege Pippino suscepit auctoritatem seminandi verbum Dei in Fresonia.

7% Sie erfolgte Anfangs 744: Eigil, Vita Sturmi c. 18, Pertz 88. IL. p. 870-371.

6 3. B. Bonifaz den Ort als locus silvaticus in heremö vastissimae solitudinis, Jaff6 Bibl. III. ep. 79. p. 219. ettberg, I. ©. 371 bis 372, gebt jedod zu weit, wenn er daraus den Schluß zieht, da von dem Stifter „im firengften Sinne eine mönchiſche Anftalt für Ascefe und Contem- plation, nicht aber für Mitfion und Aufklärung der Umgegenb beabfichtigt wurde.“

Die Privilegien von Utrecht und Fulda. 57

Nationen feiner Predigt liege, ') daß die vier Völker, denen er das Wort Chrifti verfündet, im Umfreife deffelben wohnten, daß er diefen Bölfern von bier aus, fo lange er lebe und bei Kräften fei, mit des Papftes Beiftand nügen fünne und möchte. 2)

Das Kloſter war fehr bald eine Lieblingsftiftung des Bonifaz: fowie die geeignete Stätte gefunden war, begab er ſich in eigner Berfon zu Karfmann, um ſich diefe als Geſchenk zu erbitten; ?) er ſelbſt vermehrte die Befigungen des Ortes um einige Heine Dörfer. +) Jedes Jahr, fo oft ihm fein bifchöfliches Amt die Muße gewährte, ging er wie zur Erholung nad) Fulda und weilte dafelbft: 5) eine Anhöhe, die nad) ihm der Biſchofsberg genannt wurde, diente alsdann zu feinem Aufenthalt; auf diefem „geliebten” Berge lag er dem Gebete ob und forſchte in den Heiligen Schriften; zugleich benußte er die Anweſenheit, um den Abt und die Brüder über die Pflichten ihres Standes zu belehren. %) So wählte er denn auch Fulda zu feiner Grabegftätte: ?) am diefem Orte, fehreibt er dem Papfte, habe ich mir vorbehaltlich deiner Zuftimmung vorgejegt, den altersmüden Leib eine Zeit lang oder auch nur wenige Tage durch Ruhe zu pflegen und nad dem Tode begraben zu fein. ®)

As Bonifaz im Jahre 751 feinen Presbyter Lull mit gewich⸗ tigen Aufträgen an den Papft fandte, bildete die Sache des Klofters Fulda einen bedeutfamen Gegenftand der Unterhandlung. Vielleicht darf deshalb auch ein Schreiben des Biſchofs an den Abt Optatus und die gefammte Congregation von Montecafino in diefelbe Zeit ge fegt werden. 9) Denn ohne Frage hatte der ehemalige Hausmaier

1) p. 219: in medio nationum praedicationis nostrae.

%) p. 220: Quattuor etenim populi, quibus verbum Christi per gratiam Dei diximus, in circuitu loci hujus habitare dinoscuntur; quibus cum vestra intercessione, quamdiu vivo vel sapio, utilis esse possum.

®) Eigil, Vita Sturmi c. 11. 12. p. 370.

) Daf. c. 14. p. 872: aliquas ei [loco] villulas ad exquirenda eibi necessaria tribuit.

9) Daf. c. 18. p. 371: Sic vero solebat saepe illos visitare ipse, et per singulos annos, quantis vicibus licuit propter episcopalem curam quam plu- rimam habebat in populo, venire et morari apud locum illum; vgl. c. 14. p- 372, c. 16. p. 878.

%) Daf. c. 18. p. 871.

?) Willibaldi Vita S. Bonifacii c. 8, Jaffe Bibl. IH. p. 462: ibidem [ad Fuldan] meum multis annorum curriculis corpus inveteratum perduc; daj. p- 469: ad eum, quem vivens praedistinaverat, locum; Eigil, Vita S. Sturmi ©. 15. p. 872—873: Sturmi et qui cum eo de eremo convenerunt, con- stanter dixerunt, quod sanctus episcopus plerumque apud eos manens, et locum eis ubi corpus suum poguissent demonstrarit et quod absque dubio ibi in solitudine voluisset corpore quiescere.

®) Jaff6 III. ep. 79. p. 220: In quo loco ... proposui ... post mor- tem jacere.

) Jaff& III. ep. 104. p. 256: Reverentissimo fratri immo dilectissimo oonsacerdoti Optato abba et universae sanctae congregationi, sub cura illius regularis vitae normam custodienti. Optatus leitete da Klofter 750—760.

58 Gapitel IV. 758.

Karlmann damals bereits den Berg Soracte bei Rom mit dem ftilleren Caſinum vertauſcht; *) fein Andenken aber war mit Fulda innig vers nüpft, 2) umd an ihn vielleicht am meiften unter allen feinen Genoſſen war des Bonifacius Bitte gerichtet, die Congregation möge in der friedlichen Stille brüderlicher Eintracht für ihn beten, damit er von allen Bedrängniffen frei den Vollern den Weg des Lebens zu zeigen fortfahre; an ihn gewiß auch das Erbieten des Bonifaz, Alles, was ihm zu ihun oder zu jagen aufgetragen würde, getreulich ausführen zu wollen. ®)

Bei feiner Heimfehr aus Rom, Ende 751, bradte Lull feinem Meifter das berühmte Privilegium für Fulda mit, €) deffen im Jahre 753 erfolgende Beftätigung durch Pippin 5) uns zu einigem Verweilen nöthigt.

Man hat beitritten, daß die Ertheilung dieſes Privilegiums auf den Wunſch des Bonifacius geichehen fei, wie die Urkunde ſelbſt aus- drücklich befagt: ©) fein dem Lulf mitgegebenes Schreiben nämlich, fo meinte man, enthalte nichts von einem ſolchen Geſuche; die Aeußerung des Privilegs, daß Bonifaz um dieſe Neuerung gebeten habe, fei und bleibe daher nicht wahr; was Zacharias aus der Bitte herausleſen tönnen, ſei nimmermehr daſſelbe, was das Privilegium ausfage. 7)

Dabei überfah man jedoch, daß das Schreiben des Bonifaz uns nicht vollftändig erhalten ift: ſchon der Schreiber ber Karlsruher Briefe fammlung hatte dies bemerft und Hinter dem Briefe deshalb eine Seite, die zweite des 35. Blattes, Teer gelafjen. 2) Bonifacius hat, fo weit der Text uns vorliegt, überhaupt noch feine Bitte vorgetragen; nachdem er von der Gründung des Kloſters gefprochen, von welchem aus er unter päpftlichem Beiftand den vier von ihm befehrten Stämmen auch ferner noch nüglich zu bleiben Hofft, äußert er den Wunſch, im der Gemeinjchaft und im Dienft der römifchen Kirche unter ben

!) Einhardi Vita Karoli c. 2,

3) Bgl. 3. B. in dem Briefe des Bonifaz, welden Lull dem Papfte über brachte, Jaffe III. ep. 79. p. 219, die Worte: Hunc locum supra dietum per yiros religiosos et, Deum timentes, maxime Carlmannum quondam prineipem Francorum, justo labore adquisivi; ferner Pippins Schentungsurkunde für Fulda vom Juli 766, Sickel P. 24: pro animae nostrae remedium vel bonae memo- a aymano nostro Carolomanno quondam (jo noch zweimal im derſelben

e)-

®) Jafts M. 3 104. p. 257: si quid fraternitas vestra nobis mandare ad perficiendum vel ad dicendum dignata fuerit, voluntatis vestrae desi- derium in omnibus adinplebimus.

*) Jatf6 Bibl. III. 82. p. 228-229; vgl. Ercurs V: Die Bulle des Papſtes Zacharias für Fulda.

°) Sickel P. 7.

*) Postulasti a nobis, guatenus monasterium Salvatoris a te constru- etum in loco qui voeatur Boconia, erga ripam fluminis Vultaha, privilegii sedis apostolicae infulis decoretpr.

3 Rettberg I. ©. 615.

Jaffe Bibl. II. p. 220. N. d. und N. b.

Die Privilegien von Utrecht und Fulda. 59

germanifchen Völkern, zu denen er gefendet fei, auszuharren, und ftügt das Gelöbnig des Gehorfams gegen die päpftlichen Befehle durch eine Reihe von DBibelitellen, welche die Ehrfurcht gegen den Vater lehren. 1) Offenbar follte mit diejen Worten die Bitte um papſt⸗ lichen Schuß für fein Kloſter eingeleitet werben, das Antwortfchreiben des Papftes felt dies auch ganz außer Zweifel. Darin meldet jener dem Legaten nämlich die Bewilligung des Privilegs mit den Worten: „Du haft aud) dies gewünfcht, daß das Kloſter, welches du in weiter Einfamfeit und mitten unter den Völfern deiner Predigt gegründet u. f. w.,?) für dich durch ein Privifegium des apoftolifchen Stuhls gefügt werde: ?) dies haben wir, den Wunſch gemährend, ganz deinem Verlangen gemäß volfzogen;* und er fügt, ebenfalls mit biblifchen Citaten, eine Anerfennung feines ausbauernden Dienftes bei. *)

Der Inhalt des Privilegiums nun, das wir foeben als eine Neuerung haben bezeichnen Hören, ift in Kürze folgender: Bonifaz habe den Papſt gebeten, daß diefer fein in der Bochonia am Ufer der Fulda erbautes Salvatorffofter mit einem Privilegium bes apoſtoliſchen Stuhles ſchmücke, damit daffelbe, unter die Jurisdiction der römiſchen Kirche geftellt, Yeiner anderen Kirche Gerichtsbarkeit untergehen werde. „Diefen Wunsch,” fo fährt die Urkunde fort, „vollführen wir und ver⸗ bieten deshalb jeglichen Prieſter irgend welcher Kirche, in befagtem Aoſter neben dem apoftolifhen Stuhle irgend eine Gewalt auszuüben, ſodaß, wer nicht vom Abte des Kloſters eingeladen ift, nicht einmal eine Mefje zu celebriren fich herausnehmen darf, damit e8 in Wahr- heit als eine dem apoftolifchen Stuhl unterworfene Stiftung in feinen Beſitzungen unerfchüttert bleibe.” Schließlich wird allen Kirchenvor- ftehern insgefammt, 5) fowie den Inhabern irgend melder anderen Würde für etwaige Uebertretung diejes Erlafjes mit dem Anathem gedroht.

Eine der heftigften gefehrten Fehden war einft wegen diefer päpft- fihen Bulle entbrannt, als fie noch die Wichtigkeit Hatte, dag mit ihr die Unabhängigkeit des Kloſters vom Diöcefanbifchof ftand oder fiel.

A) Jaff6 Bibl. III. p. 220: Eccli. 8, 2. 7. 9. 10. 11.

ep. 80. p. 222: Igitur et hoc petisti, ut monasterium in vastissima solitudine et in medio gentium quibus praedicas constitutum ... atque in honore Salvatoris Dei nostri dedicatum, ubi etiam et monachos sub regula beati Bene- dieti degere ordinasti, illud venerabile monasterium nomini tuo privilegio sedis apostolicae muniri. Wie der Anfang dieſes Gates faft wörtlid) dem voraus- pegangenen Schreiben des Bonifaz (Jaffe III. ep. 79. p. 219: Est praeter ea jocus silvaticns etc.) entnommen if, jo werden aud; die legten Worte dem Schluß diefes Schreibens eniſprochen Haben. .

®) Nomini tuo confirmirte Zacharias dem Bonifaz einft auch die Metropole Cöln, obwohl er damit pro fui temporibus ejusdem metropolitanae eccle- siae stabilitatem bezwedte: Jaffe Bibl. ep. 81. p. 152.

+) Jaffe III. ep. 80. p. 222: Quod, votis tuie acquiescentes, ordinavimus juxta desiderium et petitionem tuam. uf p. 220 N. e muß «8 flatt C 89”—40 wahrſcheinlich heißen: C 3639; vgl. p. 218 N. e und 226 N. g.

®) omnibus omnino cnjuslibet ecclesise praesulibus.

60 Eapitel IV. 753. j Mit gleicher Energie wurde die Echtheit der Urkunde damals beftritten und bewiefen. Seitdem ift der praftifche Zweck der Unterſuchung ge- ſchwunden, das wiſſenſchaftliche Intereſſe aber geblieben, bis in nenefter Zeit ſcharffinnige Forſchung die Frage wohl für immer zum Abſchluß gebracht und den Verdacht einer Fälſchung befeitigt Hat.) Unter den hierfür beigebrachten Argumenten find vor Allem die analogen Urkunden früherer Päpfte für angelfächfifche Möfter bemerfenswerth, in denen diefelben Beltimmungen, ja auch diefelben Ausdrüde wie in der Zuldaer Bulle angetroffen werden, in&befonbere wie dort von der Aus— ſchließung jeder anderen als päpftlichen Yurisdiction die Nede ift. °) In ihnen gewinnt daher auch die dem Fuldaer Privifegium gleich Tautende Urfunde des päpftlichen Formelbuchs, 3) für deren Entjtehungs- zeit die kritiſch fo umfichere Befchaffenheit jener wichtigen Quellenfchrift nur unvollfommene Anhaltspunkte bietet, wenngleich nicht ihrem Wort- Taut, fo doc) ihrem Inhalt nach die zuverläfjigfte Unterlage; und eine Herleitung der Formel aus dem angeblich erdichteten Privilegium für Fulda ift ſonach unmöglich. Das Verhältniß ift vielmehr einfach dies, daß Papft Zacharias ſich bei Ausftellung der Bulle einer Faſſung bediente, weiche ſchon fo oft zur Anwendung gefommen war, daß fie in der päpftlichen Kanzlei bereits als ftehende Formel galt.

Das Fuldaer Privilegium kann alfo ſchwerlich fo unfanonifch gewefen fein, wie. gewöhnlich ſelbſt von Seiten der Vertheidiger der Urkunde behauptet wird; vielmehr ſcheint mir das Eigenthümliche defielben bisher noch nirgends genügend erfaßt. „Das Neue und Un— erhörte des Inhalts,“ fagt ein gefehrter Forfcher, *) „liegt nicht ſowohl in der Verfürzung der Ordinariatsgewalt für Mainz, als vielmehr in der unmittelbaren Unterwerfung defjelben unter den päpftlichen Stuhl, wozu die befannten Verhältniſſe, das Erſuchen des Bonifaz und die fpätere Stellung Fulda's zu Mainz nicht paſſen.“ „Es ift ganz richtig,“ jo Heißt es an einem anderen Orte, °) „daß der Papft Zacharias in feinem Privilegium ſich über alle fanonifchen Beftimmungen hinweg- gefegt und durch die Exemtion des Kloſters eine bie dahin im Franfen- reihe unerhörte Neuerung vorgenommen habe.“ Ferner: °) „Das Außergewöhnliche des Inhalts ift, daB Fulda der Jurisdietion jeder anderen geiftlichen Autorität, d. 5. auch des Didcefanbifhofs entzogen und ausschließlich der Yurisdiction des päpftlihen Stuhls unterſtellt wird. Andere, von Biihöfen ertheilte, Klofterprivilegien gewähren nur Garantie gegen den Mißbrauch der Episcopalgewalt und laſſen

4) Sidel, Beitr. z. Dipl. IV. ©. 609-635.

2) Daf. ©. 631; vgl. ©. 622. N. 2.

®) Liber diurnus Romanorum pontificum ed. Garnerius p. 118. Die neue Ausgabe von de Roziere, Paris 1869, habe ich leider nicht einfehen können.

+) Rettberg IL. ©. 677.

) Sidel a. a. D. ©. 629.

) Daf. ©. 622.

Die Privilegien von Utrecht und Fulda. 61

das bijchöfliche Oberauffichtsrecht fortbeitehen; ) hier aber wird geradezu das Fanonifch feftitehende Recht des Biſchofs aufgehoben.“

Ich frage zuvörderſt: welche Diöcefe Hatte denn einen Anfpruc auf Fulda, ſodaß von einem kanoniſch feftftehenden Rechte des Diöcefan- biſchofs geredet werden könnte? Als das Kloſter gegründet wurde, ftand Bonifacius, der „Gefandte des heil. Petrus“, an der Spitze des gefommten Clerus, ohne daß die Verwaltung eines einzelnen Sprengel® ihm aufgebürdet war. In der Eigenfchaft eines päpftlichen Legaten leitete er die Angelegenheiten des Kloſters wie die aller anderen Schöpfungen feiner Mifjionsthätigkeit. Indem er mehrere Jahre fpäter das Erzbistum Mainz übernahm, konnte feine Meinung nicht fein, die nur perfönfiche Union zwifchen feinen Stiftungen und Mainz zu einer realen zu machen ober vollends in ein Abhängigfeitsverhäftnig umzuwandeln. Das Kloſter Fulda ftand nicht unter dem Bisthum Mainz, fondern nur unter dem Legaten Bonifacius, der zufällig auch Biſchof von Mainz geworden war. Er ftand über Fulda kraft apofto- liſchen Mandats, er befaß Mainz aus Auftrag der fränfifchen Staats- gemalt. Von dem Eintritt des Kloſters in ein bifchöfliches Amtsgebiet verlautet nichts; %) was berechtigt uns, von dem Oberaufſichtsrecht eines Ortsbifhofs zu reden?

Das Klofter gehörte alfo keinem fränfifchen Bisthum an; es ftand allein unter dem Papft, dem Oberhaupt aller Miffion, und feinem deutichen Glaubensboten. Diejes thatfächlich ſchon beftehende Verhäftnig wünfchte Bonifaz zu einem dauernden zu geftalten: darum erbat er fid) das Privilegium. Wir haben ihn dafjelbe Verfahren im Jahre 742 bei Gründung der drei mitteldeutichen Bisthümer, °) vor Allem aber 753 im Intereſſe der Willibrord'ſchen Stiftung in Fries- land beobachten fehen. *) Wie er darauf dringt, daß Utrecht ein nur dem römischen Bischof 'untergebenes Bisthum bleibe, 5) fo fordert und erlangt er auch für Fulda, daß es unter ber Jurisdiction feiner anderen, als der römischen Kirche ftehe. *) Eine Erſcheinung alfo,

?) Nihil de canonica institutione convellitur.

®) Erſt in der päpftlichen Bulle für Mainz vom 4. Nov. 751 (Jaffe IIL 81: p. 226) werben u. X. alle von Bonifaz für das Chriſtenthum geivonnenen Gebiete dem neuen Bisthum untergeordnet. Mit jener Bulle aber ſteht das Privilegium für Fulda, welches von bemfelben Tage datirt ift, vieleicht in ger nauem Zufammenhang, injofern es gerade die Ereintion- des Kloſters von der neugegrändeten erzbifchöflichen Gewalt bezwedte. Die Grrüchtung bes Erzbisthums war auf den Wunſch der Franken (juxta eorundem filiorum Francorum peti- tionem), die Erimirung Fulda’s auf Bitten des Bonifaz geſchehen Doc; das Mainzer Privileg blieb ja überhaupt unausgeführt.

°) ©. oben ©. 46—47. B

+) ©. oben S. 5456.

®) Jaffe Bibl. III. ep. 107. p. 261: sedes episcopalis subjecta Romano pontifici.

°) Daf. ep. 82. p. 228: ut sub jurisdictione sanctae nostrae, cui deo auctore deservimus, aecelesiae [i. e. Romanae] constitutum nullius alterius aecclesiae jurisdietionibus sabmittatur.

62 Capitel IV. 758.

die ſich zu gleicher Zeit mehrfach wiederfindet und die durchaus folge- richtig fi) aus dem Weſen der Heidenbefehrung erklärt, Tann nicht mit Recht als unerhört und außergewöhnlich bezeichnet werden.

Es ift gejagt worden, das Privilegium enthalte eine mit den Tendenzen bed Zacharias und Bonifacius unverträgliche Verlegung der Kanones; denn von ihnen fei das hierarchiſche Band in Deutfchland begründet, feien demgemäß auch die Klöfter der Episkopalgewalt unter» geordnet worden, wie es die zu neuer Anerkennung gebrachten Kanone vorjchrieben. 1) Dem ift zunäcft entgegenzuhalten, daß auch die un» mittelbare Unterordnung jener eben genannten Bisthlimer unter Nom den hierarchiſchen Grundfägen zuwiderlief, welche vorfchrieben, daß die Biſchofe unter einem Metropolitan und erft diefer unmittelbar unter dem Papfte ftehen folle. Wir fehen Hieraus, daß dem Bonifaz für den Erfolg der Miffton nichts erfprießlicher fchien als die directe Ver— bindung ber neu gewonnenen Gebiete mit der Quelle der Lehre, mit Nom, ſelbſt wenn dabei die fanonifche DVerfaffung einigen Schaden nahm. Denn in feinem Briefe an Erzbifchof Cubberht von Kent, in welchem Bonifaz ein Bild der hierarchiſchen Ordnung entwirft, erſcheint die Metropolitanwürde als ein wefentliches Glied des Ganzen, ?) und auch in den Gapitufarien der 40er Jahre, die unter feiner Ein- wirkung erlaſſen worden waren, ift dem erzbifchöflihen Amte die ihm gebührende Stellung eingeräumt.) Das Gleiche aber läßt fi von den Beziehungen der Biſchöfe zu den Klöftern nicht jagen. Weder in den vorerwähnten Capitufarien noch aud in den Briefen des Bonifaz oder in denen, welche Zacharias nad) dem Franfenreich richtete, findet fih eine Stelle, welche die Klöfter der Episfopalgewalt zumeift. 4) Allerdings wird ein ſolches Verhältniß in den galliihen Synoden des 6. und 7. Jahrhunderts öfter geltend gemacht, 5) und es iſt anderer⸗ feits richtig, daß ſchon in den 40er Jahren des 8. Jahrhunderts die Reichsverſammlungen Karlmanns und Pippins ſich ausgefprocener- maßen die Erneuerung der fanonifchen Decrete und kirchlichen Satzungen zur Aufgabe ftellten. %) So oft jedoch in unferen Gapitularien mit allgemeinen Worten von der Wiederherftellung des kanoniſchen Rechts geredet wird, find gewiß nur diejenigen Beftimmungen deſſelben gemeint und wirklich zur Ausführung gelangt, welche neben jenem allgemeinen

!) Sidel a. a. O. S.

°) Jaff& III. ep. .

®) Bal. befonders Pippini prineipis capitulare Suessionense a. 744 c. 8: ordinavimus per civitates legitimos episcopos; ideirco constituemus super eos archiepiscopus Abel et Ardobertum, ut ad ipsius vel judicia eorum de omne necessitate ecelesiastica recurrant tam episcopi quam alius popul

*) &o heißt e8 3. B. Karlomanni prineipis capitulare a. 742 c. 7 nın Et ut monachi et ancillae Dei monasteriales juxta regulam sancti Benedicti ordinare et vivere, vitam propriam gubernare studeant.

5) ©. Rettberg II. ©. 671.

*) ®gl. ;. ®. Karlomanni principis capitulare a. 742 c. 1: ut canonum decreta et ecclesiae jura restaurentur et religio christiana emendetur.

629—630. 02.

Die Privilegien von Utrecht und Fulda. 68

Sage noch den ausbrüdlichen Gegenftand eines befünderen Paragraphen bifdeten. Erſt nach dem Tode des Bonifacins, im Jahre 755, wurde zu Verneuil die Unterordnung der Mlöfter unter die bifchöfliche Aufficht mit beftimmten Worten ausgefprocen: ?) ein Beweis, daß Bonifacius fie entweder nicht durchgefegt ober nicht durchzufegen beabfichtigt hat. Es wird überhaupt zwifchen dem, was vor und was nad) bem Jahre 754 für die fränkiſche Kirchenverfaſſung geſchehen ift, forgfältig zu unterfcheiden fein. Das Werk des Bonifaz Hat feinen Urheber aller- dings überdauert, aber doch in weſentlich modificirter Geftalt. Auch, den Nacjfolgern kam es auf die Sicherung des Chriſtenthums duch fefte äußere Formen an; während Bonifaz aber, im wahrften Sinne ultramontan, den Stügpunft feiner Inftitutionen vor Allem in Rom geſucht Hatte, erfannten die Späteren es für beffer, die fränkiſche Staatskirche innerlich auszubauen und den gefammten Clerus des Reichs, die Mönche wie die Priefter, als ein im fich geichloffenes Ganze zu organifiren. ?)

Noch in einem Punkte feheint mir die neueſte Auffaffung der Bulle einer Berichtigung zu bedürfen. Auch folche Klofterprivilegien, welde von Ortsbifchöfen ertheilt find, enthalten die Beſtimmung, daß der Biſchof in dem Kloſter nur auf Aufforderung des Abtes bie ihm auftehenden Zunctionen verrichten, insbefondere Kirchen und Altüre confecriven, Weihen ertheilen und die Mefje feiern dürfe. Die kurze, negative Faffung der päpftlichen Bulle nun °) ift in noch engerem Sinne fo gedeutet worden, daß die Befugniffe bes Ortsbiichofs darauf befchränft feien, daß er auf Einladung des Abtes die Mefje im Kloſter eelebriren dürfe. *) Aber offenbar mit Unrecht. Von den biſchöflichen Verrichtungen ift das Mefielefen als die vorübergehendſte Handlung unftreitig auch die geringfügigfte; die Conferrationen dagegen behalten für die Zufunft Werth. Nur um die volle Autonomie des Kloſters zu bezeichnen, Hebt Zacharias hervor, daß ſelbſt bie eier einer Meſſe nicht ohne Erlaubnig des Abtes geſchehen dürfe, °) keineswegs aber, daß nur die Meffe auf Einladung des Abtes geftattet fei. Vielmehr blieb der Abt gewiß auch Hier berechtigt, zu den Actus. episcopales in ihrem ganzen Umfange einen Bifchof ins Kloſter zu berufen.

4) Capitulare Vernense c. 8. 5. 6. 10. 11. Xettberg, IL. ©. 676, er⸗ blickt darin mißverfländficher Weife einen „Verſuch im Geifte des Bonifaz, um die bedentlichen Folgen jener Eremtionen für die biſchöfliche Gewalt abzuwehren.“

?) Setoft äußerlich glaube ich zwiſchen den beiden Geiegebungen den Unter ſchied waßrzunehmen, daß als Duelle des Tanonifchen Rechtes zur Zeit des Bonifacius dx Diomihe Coder Canonum, nach ipm dagegen die fog. IMdoriiche Sammlung jedient hat.

J 9) nisi ab abbate monasterii fuerit invitatus, nec missarum solemnitatem ibidem quispiam praesumat omnimodo celebrare.

*) Eidel a. a. ©. ©. 628.

®) Nec wäre ſonach als ne-quidem zu deuten; vgl. Jaffe Bihl. IV. p. 35. 89, Cod. Carol. ep. 6. 7: nec unius enim palmi terrae spatium (et nec uhius p. t. sp.) b. Petro reddere passus est.

64 Eapitel IV. 758. \ Bon einem Ortsbifchof zu reden, dazu freilich gibt ebenſowenig die vorermähnte thatfächliche Stellung Fulda's, wie der Wortlaut ber Bulle Anlaß: der Abt durfte zu den bifchöflichen Amtshandlungen den Vorfteher jeder beliebigen Diöcefe wählen, und ohne feine Einladung war eben Jeder ausgefchloffen. Ein Veifpiel unerlaubten Eingriffs, noch aus dem 8. Jahrhundert, jei hier angeführt, zumal es bisher ganz unbeadhtet geblieben. ) Die-Kunde davon ift in einem Briefe de8 Rabanus Maurus an feinen Nachfolger in Fulda, den Abt Hatto (842—856), erhalten, doch auch diefer Brief ung nur in einem: dürf⸗ tigen Auszuge überliefert. So viel aber erfennen wir mit Beftimmt- heit, daß Biſchof Bernwolf von Würzburg, welcher im Yahre 800 ftacb, ®) fih eine Ordination im Kloſter Fulda erlaubt Hatte; daß deshalb zwifchen ihm, dem Biſchof Nicolf von Mainz und dem Zuldaifchen Abte Baugolf, dem Nachfolger Sturms (780—803), ein Streit ausbrach wobei übrigens unflar bleibt, welcher Partei Biſchof Nicolf angehörte —; daß der Gegenftand des Streites die Bulle des Papſtes Zacharias war, indem der eine Theil, offenbar Baugolf, ſich auf diefelbe berief; daß die Sache endlich vor Karl und den Biſchöfen in einer Synode verhandelt und der Bifchof von Würzburg wegen miberrechtlicher Ordination verurtheilt worden ift. Dieſe kurze Notiz wird für uns dadurd fo werthvoll, daß wir daraus erfahren, wie faum 50 Jahre nad Ertheilung der Bulle ein biſchöfliches Concil, gegen alles bifchöfliche Intereſſe, fich zu Gunften ihrer Gültigkeit aus- ſprach; ein neuer Beweis für die Echtheit des päpſtlichen Privilegs, der offenbar Höher anzufchlagen ift, als die BVeftätigungsurfunden der nachfolgenden Päpfte und felbjt als die Mittheilungen Eigils im Leben des Abtes Sturm. °) Alter diefer Beweiſe freilich Hätte es micht bedurft, wenn die Urkunde, in welcher Pippin dem Bonifaz das Privilegium des römifchen Stuhls beftätigt, *) im Original erhalten wäre. Wohl wenige Documente

) Wir verdanken feine Kenntniß den Magdeburger Centurien, aus welden Dümmler unter vielen anderen Stellen, die auf einen Fuldaiſchen Briefcoder des 9. Jahrhunderts hinweiſen, aud) den uns intereffivenden Paſſus ans Licht gezogen hat. Derfelbe befindet fi in der Octava Centuria ecclesiasticae historiae (Basil. 1564) cap. 10 (de episcopis et doctoribus), col. 808 (Herbipolenses seu Wirzburgenses) und lautet: Megingaudo successit Bernwolf et praefuit annis septem. Inter eum et Riculfum Moguntinum episcopum et Bougulfium Fuldensem abbatem ortum est dissidium propter chartam quandam, quam aliqui Bonifacium a pontifice accepisse efirmarunt. Tandem causa in prae- sentia Caroli et episcoporum in synodo tractata Berwolffus damnatur propter illicitam ordinationem in Fuldensi coenobio factam. Rabanus in epistola ad Hattonem. Qgl. Dümmler, Ueber eine veriholene Fuldifhe Brieffammlung des 9. Jahrhunderts, Forfhungen zur deutfchen Geſchichte V. (1865) ©. 869.

2) Rettberg IL ©. 320.

») Eigil, Vita S. Sturmi c. 19, Pertz SS. II. p. 375. Vielleicht gab biefer Streit mit Bernwolf von Würzburg dazu Anlaß, daß man in Fulda, eiwa weil das Originaldiplom Pippins an den Hof gejhict wurde, von demfelben zu- vor dene Abfcrit nahe, von welcher jogleih die Rede fein wird.

ickel P. 7.

Die Privilegien von Utrecht und Fulda. 65

haben die Diplomatif in ſolchem Maße befchäftigt, wie diefe Urkunde, Es genügt, auf die Studien des neueften Forſchers hinzuweiſen, der die zu Fulda aufbewahrte Handfehrift bei der erften Unterfuchung für ein Original erklärt Hatte, !) diefen Ausſpruch aber nach wiederholter Prüfung zurüdgenommen und in dem Document nur eine gegen das Ende des 8. Yahrhunderts veranftaltete Abfchrift erfannt hat.2) Bei diefem Urtheil wird es nun wohl für immer fein Bewenden haben,?) und das füniglihe Diplom, das daher ebenfomohl eine Fälſchung wie eine Copie fein fönnte, hört damit auf, als ein Beweis für die Echtheit der päpftlichen Bulle zu gelten, bedarf ihrer vielmehr zu. feiner eigenen Anerkennung.

Das Schreiben‘ des Königs ift zu Attigny im Juni deö zweiten Zahres feiner Regierung, d. i. 753, erlaffen. Hierhin alfo Hatte ſich Pippin von Verberie aus begeben, wo wir ihn nod am 23. Mai die Utrechter Urkunde haben ausſtellen ſehen. Das Schreiben ift an Bonifaz gerichtet, und zwar bezeichnender Weife als den germanifchen Legaten des apoftolifhen Stuhlse. 4) Es wiederholt, um fie zu be- fräftigen, °) die Worte des oben erörterten päpftlichen Privilegs von der Ausfchliegung aller priefterlichen Gewalt, der unmittelbaren Unter⸗ ordnung des Klofters unter Nom, und legt befonderen Nachdruck auf ben dabei beabfihtigten Schuß des gegenwärtigen und fünftigen loftergutes. %) Es gedenkt der Zuftimmung der Biſchöfe und anderen Getreuen, 7) offenbar derfelben, welche die Urkunde mit unterzeichnet haben ®) und in deren Verfammlung vielleicht aud) der Plan des

2) Sidel, Beitr. 3. Dipl. I. S. 142.

?) Derf., Beitr. z. Dipl, IV. S. 598—609.

®) In jüngfter Zeit hat Herquet, Specimina diplomatum monasterio Ful- densi a Karolis exhibitorum (photographifche Nachbildungen), Heft 1 (1867), noch einmal unternommen, die Originalität der Urkunde darzuthun; über die Unftichhaftigteit feiner Beweiſe jedod vgl. Adolf Cohn, Gött. gel. Anz. 1868, Stüd 18, ©. 692—695.

) Bonifatio archiepiscopo et legato germanico ab apostolica sede directo. Im weiteren Verlaufe heit e8 noch einmal: ex auctoritate sancti Petri prin- cipis apostolorum, pro quo legatione fungeris.

s) privilegium . . . per omnia roboramus.

*) Bgl. oben ©. 46. Der Yusorud ex donis et oblationibus deeimisque fidelium ift techniſch, ja fogar biblijchen Urfprungs, daher für die Frage nad; dem Charakter des Zehnten umerheblich. Dal. 5. ®. Jaffd Bibl. IIT. ep. 70. p. 206: Lac et lanas ovium Christi oblationibus cotidianis ac decimis fidelium sus- cipiunt; capit. synodi Aschaimensis, Pertz LL. III. p. 457, c. 7: alienas oblationes aut deeimas. Die biblijhe Quelle des Ausbruds ift: Numeri c. 18.

7) cum consensu episcoporum ceterorumque fidelium nostrorum.

®) Wegen des Signum Lul episcopi ift e8 durchaus nicht nöthig, eine jpätere Unterzeichnung der Zeugen anzunehmen. Lull war ſchon feit längerer Zeit corepiscopus, dazu des Bonifaz befignirter Nachfolger in Mainz, und wurde ger wiß wie Eoban bald corepiscopus, bald episcopus genannt. Grade daß feiner Unterjchrift die des Eoban von Utrecht folgt, der ja zugleich mit Bonifacius den Märtyrertod erlitt, dient zum Beweiſe, daB auch Lull nicht erſt nad) des Bonifacius Tode feinen Namen —— haben kann; ein zweiter Beweis iſt das noch ſpãter kommende Signum gingozi presbiteri, offenbar des Nachfolgers von

Zahrb. d. diſch. Ceih. Oelsner, König Pippin.

66 Capitel IV. 753.

Bonifacius, nah Friesland zu gehen, dem Könige vorgetragen und zur Berathung gebracht worden ift. Denn daß aud Bonifacius zu Attigny amwefend war, beweift feine Namensunterfchrift; daß er die Reife aber nicht antrat, ohne ‚vorher „mit dem Könige und anderen Chriſten“ darüber Raths gepflogen zu haben, wird uns von anderer Seite glaubwürdig berichtet.*)

Nachdem er nunmehr in treuer Fürforge die Angelegenheiten zweier Lieblingeftiftungen nad Kräften geordnet und fichergeftellt, trat Bonifaz jene glorreiche Bekehrungsreiſe an, auf welcher er dur Heidenhände den Tod finden follte. Pippin aber begab fih in einen der zahlreichen Sachſenkriege, welche in ihrer Weife ebenfalls den Miffionszweden dienten, von denen jedoch noch lange Zeit jenes Wort gelten fonnte, womit einft Tacitus bie römiſch-germaniſchen Kämpfe harafterifirt hatte: triumphantur magis quam vincuntar.

Burchard im Bisthum, Würzburg. Uebrigens ſchließt der Tert ausdrüclich mit den Worten: tam anuli nostri impressione quam fidelium nostrorum adstipu- latione subnixum. Bon den Präfeften, welche mitunterichrieben haben, finden wir mehrere in der Adreffe eines von Jaffé zum erften Male aus der Karlsruher Handſchrift veröffentlichten Schreibens des Papftes Bea jaria wieder (Bibl. III. ep. 68. p. 195); e8 find: Throandus (vieleicht der Stifter des Kiofters. Holze Hirhen, das Karl 775 an Fulda verlieh; Rettberg I. ©. 607. 638), Liutfridus, Hrunzolfus (Rantulfus), Hroggo (Rocgo). Für den fräntifchen, Erchrauch des Wortes praefectus wäre zu ben Stellen bei Waitz, BG. IL. ©. 824. N. 1, IIL ©. 325. N. 3 und IV. ©. 512. N. 2, noch anzuführen: Karla prince, capit. Liftin. c. 1 (comites et praefecti); Jaf6 III. ep. 92. p. 240 (Carissimo filio Regeberhto praefecto Bonifacius); Willibaldi Vita Es Bonif. c. 8. p. 468 (ejusdem urbis praefeotus), c. 9. p. 470 (unus, qui. officium praefecture secundum indietum gloriosi regis Pippini super pagum locumque illum gerebat).

m) Eigil, Vita S. Sturmi e. 15: inito cum rege et ceteris christianis eonsilio,

Fünftes Gapitel.

Beftätigung des Marktrehtes von ©. Deny2. ') 753.

Ehe wir zu den Sriegsereigniffen des Jahres 753 übergehen fönnen, bleibt ung noch von einer Verhandlung des königlichen Gerichtes zu melden, welche ein mehr als 100jähriges Recht des Kloſters ©. Denys betraf.

Im Jahre 629 nämlich hatte Dagobert I., unter den mero- wingifchen Gönnern des Nlofter8 der treuefte, zwifchen dem Orte ©. Denys und Paris, alfo im Norden diefer Stadt, ?) einen Markt errichtet, der alljährlih am 9. Detober, dem Feſte des heiligen Dionyſius, ®) beginyen und des Fremdenzuzugs wegen vier Wochen dauern follte, *%) Denn e8 wurde auf die Theilnahme nicht nut aller Städte des Reiches, fondern auch des Auslandes gerechnet, fo der überfeeifhen Sachſen, d. i. der Angelfachfen, die fich vorzugsweiſe,

4) Die bier in Betracht Tommenden Urkunden find: a) Diplom Dagoberts I. vom Jahre 629, Migne Patr. lat. LXXX. col. 510-511. Jacobs, Note sur le commerce en Gaule au temps de Dagobert, Rev. arch£ologique Sept. 1861, liefert p. 188—190 ebenfalls den Text mebft einer Ueberfegung. b) Placitum Chifdeberts TIL. v. Jahre 710, Migne col. 11081110. c) Diplom Bippins vom 8. Juli 758, Sickel P. 8. (Migne XCVI. col, 1524—1526),

%) Urhunde Re a: in illa strada, que vadit Parisius eivitate, in loco qui dieitur Pasellus s. Martini; ofenbar in der Nähe der Kirche S. Martin. Bol. Alfr. Jacobs, G&ographie de diplömes merovingiens, Paris 1862, p. 12.

®) Daf.: ad missa ipsa quae evenit septimo idus octobris.

+) Daj.: Jubemus etiam, ut’ ipse mercadus per quatuor septimanas extendatur, ut illi negociatores de Longobardia sive Hyspanica et de Provencia ac de alias regiones illuc advenire possent, Jacobs, Note, ſchließt daraus, daß eine Reife von Oberitafien nad) Norbfrankreic damals auf vier Wochen ver- anſchlagt werden mochte.

68 j Copitel V. 76.

wie es fheint, der Häfen von Rouen und Vie!) zu ihrer Landung bedienten, 3) fodann vom Süden her der Langobarden aus Oberitalien, °) fowie der Gothen aus Languedoc und der Provence. *) Die vorzlig- fichften Handelögegenftände waren Wein, Honig und Krapp, wenig. ftens für die Käufer, welche über den Canal famen. °) Mit jener Marktberehtigung nun war, als weſentlichſter Vortheil derfelben, feit dem dritten Jahre nad Ertheilung des Privilegiums denn bie erften zwei Jahre Iang ſollte zur befjeren Begründung des Marktver- kehrs allgemeine Zoltfreiheit herrſchen der Befig aller von den Marltwaaren zu erhebenden Zölle verbunden. %) Damit das Kloſter aber von feiner Seite eine Beeinträchtigung erfahre, wurde einestheils den königlichen Beamten aufs ftrengfte unterfagt, den Markt auf irgend welche Weije zu hindern umd fei es in Paris oder fonftwo im ganzen Gau ſich der mannichfaltigen Waarenzölle zu bemächtigen; anderntheils erging an die Kaufleute das Verbot, während der Marktzeit an irgend einem anderen Orte des Parifer Gaues eim Geſchäft abzuſchließen; wer dies that, hatte dafür die königliche Bannbuße an das Kloſter zu entrichten.

Diefes Marktprivilegium, für die Handeltreibenden wie für das Klofter gewiß von großem Vortheil, war auf der anderen Seite nicht nur für den Fiscus, fondern aud für die Gaubeamten felbft ein er- hebficher Verluſt; denn die legteren theilten vielfach) die Einfünfte, welche fie für den Staat zu erheben hatten. ?) Daher verlegten ins- befondere die Grafen des Gaues zu wiederholten Malen die Vor—

4) Wicus, aud) Ouentovicus genannt, an der Candie-Miündung, in der Nähe des jetigen Etaples. gl. Gusrard, Polyptique de l'abb6 Irminon I. p. 786: port frequent& par les navires qui allaient en Angleterre ou qui en venaient. Au Bonifaz landete 718 von Sonden aus am der Cande- Mündung und ver- weilte, feinen Gefährten erwartend, zu Bic: hostia fuminus quod dicitur Cuent . . . aspieiunt et ad aridam sospites terram perveniunt; sed et castra metati sunt in Cuentawich (Willibaldi Vit. 8. Bonifacii c. 5, Jaff6 Bibl. III. p. 444).

) urt. a: maxime ad Rothomo porto et Wicusporto qui veniunt de ultra mare. Pippin muß jedoch auch die Frieſen darunter begriffen Haben, da ex, die früheren Präcepte refümivend, fagt: de omnes necuciantes-tam Saxones quam Frisiones vel alias nationes promiscuas,

®) Gin weiteres Zeugriß für den Handelsverkehr ‚jeigen Franfen und Langobarden enthält der Edietus Langobardorum (Pertz LL. T. IV), Liutprandi Leges de anno XIV (726) c. X (79): Et si homenis non habuerit, in quo- rum presentia [cavallum] sonparavit, nisi simplieiter dixerit: „quod con- paravi de Franco aut nescio de qualem hominem“ etc.

*) Der Name Hyfpanica, oben S. 67. N.4, bezeichnet in diefer Verbindung nur das weſtgothiſche Septimanien; vgl. Jacobs, Note p. 192, Geographie p. 12.

®) Urf. a: qui veniunt de ultra mare pro vina et melle vel garantia

emendam.

) Bol. Waitz, BG. II. ©. 551 (N. 3), IV. ©. 44-46.

) Waitz a. a. O. IV. ©. 144; vgl. aud) in umferer Urk. c die Worte: quidquid exinde fiscus noster forsitan ad parte nostra seu et ad omnes agentes nostros potuerat sperare, omnia et ex omnibus ipse telloneus ad ipsa casa Dei in integrum sit concessus atque indultus vel evindicatus.

Veftätigung des Marktrechtes von &. Denys. 69

ſchriften Dagoberts: zuerft Gairin, der fon in den nächftfolgenden Jahrzehnten gelebt Haben muß, da bereits der erfte Nachfolger Dagoberts in Neuftrien, Chlodwig II. (638 656), von den Mönden um Schuß angegangen wurde. Jener Graf führte nämlich eine Theilung der Zolleinfünfte dur und entzog dem Klofter damit längere Zeit die Hälfte feiner Einnahmen. ?) Es Half nur wenig, daß die Be— ſchwerden des Kloſters im Palafte Gehör fanden; *) das wiederholte Einfchreiten der Könige e8 werden nach Chlodwig II. noch feine Söhne Childerich IT. und Theodorich III., fowie deffen Sohn Chlodwig III. genannt?) läßt nur auf ebenfo häufig borangegangene Eingriffe der Grafen jchließen, und jo Fonnte im Jahre 710 behauptet werden, daß es ſchon feit Tanger Zeit Gewohnheit fei, nur die Hälfte jenes Zolles dem Klofter, die andere dem Fiscus zufommen zu lafien. *) Noch weitere Irrungen Hatte die Verlegung des Marktes zur Folge, welche durch (nicht näher bezeichnete) unglückliche Ereigniſſe notäwendig geworden war. Statt an dem urfprünglichen Plage nämlich, welcher Kloftereigenthum gemejen, wurde der Markt fpäter im Stadt gebiete von Paris felbft, zwiſchen den nördlich gelegenen Kirchen ©. Martin und S. Laurentius, abgehalten; 5) und aud dies haben die Grafen, wie es fcheint, als Handhabe benugt, um die Markt gerehtigkeit von ©. Denys anzutaften. Wenigftens erhielten die vorer- wähnten Erneuerungen des Privilegs den befonderen Zufag, daß die Kauf: leute auch auf diefem neuen Marftplag, oder wo jie fonft immer Aufftellung nehmen würden, ben Zoll an das Kloſter zu ‚entrichten hätten. °) Der Wortlaut einer folchen Privifegienbeftätigung durch ein Königsgericht Liegt erft wieder von Childebert IIT. aus dem Jahre 710 vor. Damals klagten die Agenten des Abtes Dalfinus gegen den

. .

!) Urt. b, col. 1109: Intendibant econtra agentes s. Dionysil, quasi hoc Gairinus quondam, loce ipsius Parisiace comis, per foreia hunc con- suetudinem ibidem misissit et aliquando ipsa medietate de ipso teleneu ejus- dem exinde tullissit.

2) Die borangeführte Stelle lautet weiter: sed ipsi agentes hoc ad pala- cium sogessissent et eorum precepcionis in integretate semper renovassent.

®) Die Urkunden b und c haben ftatt des Iehteren Chlodwig den Namen Chlodocharius (Clotarius); ſ. jedoch Voigtel's Stammtafeln, neu herausgegeben von 2. U. Cohn 1864, Heft 1, Tafel 15. Ueber die mannigfachen Verſuche, diefe Namensverwechſelung zu erflären, fiehe die Anmerkung bes Geransgebers Pardeſſus bei Migne LXXXVIM. col. 1108. not. c.

4) Urf. b, col. 1109: Aserebant e contra agentes ipsius viro Gri- moaldo, msjorem-domus nostri, quase de longo tempore talis consuetudo fuissit, ut medietate exinde casa s. Dionisii receperit, illa alia medietate illi comis ad partem fisci nostri.

°) Daf. col. 1110: antehactis temporibus, elade intercedenterde ipso vigo s. Dionisii ipse marcadus fuit emutatus et ad Parisius civetate inter 8. Martini et s. Laurente baselicis ipse marcadus fuit factus.

°) Die Urkunde fährt fort: et inde precepeionis predietorum principum acceperunt, ut in ipso loco aut ubyque ad ipsa festivetate resedibant ad eorum negucia vel conmercia exercienda, ipso teleneu pars prediete baselice domni Dionisii in integritate receperit.

70 Eapitel V. 753.

Hausmaier des Königs, Grimoald, den älteren Bruder Karl Martells, weil auch er durch feine Beamten, namentlich die Parifer Gaugrafen, die Hälfte der Markteinnahmen für den Fiscus in Anfprud nahm, und zwar, wie wir oben gehört, auf Grund eines feit Lange beftehenden Gebrauchs. Es genügte wiederum die Vorlegung der früheren könig- lien Diplome, !) fowie die mündliche Ausfage mehrerer Perſonen, um nicht nur die Beifiger des Gerichts, fondern auch Grimoald ſelbſt ?) zur Anerkennung zu veranlafen, daß der Marktzoll in feinem ganzen Umfange dem heil. Dionyfius gebühre. Demgemäß fprad) auch Chil- debert ihn den Klägern zu, mit dem ausdrücklichen Bemerken, daß ein etwaiger Wechſel der Marktftätte darin nichts ändern folfe.°)

Aber ſchon unter Karl Martell erlitt das Klofter in feinen Marft- einfünften abermals ſchweren Abbruch, ohne daß doc ein Theil des Zolfes ihm vorenthalten worden wäre. Der Schaden wurde ihm auch diesmal durch die öffentliche Behörde, jedoch auf indireftem Wege, zugefügt. Es war übrigens nicht Karl felbft, dem das Verfahren -zur

Laſt fiel; wir erfahren vielmehr bei diefer Gelegenheit von einer zeit»

weiligen Verdrängung deffelben durch die Habgier Swanahildens, feiner zweiten Gemahlin, und die Ränke bes damaligen Parifer Grafen

* Gairefreb: 4) einer Thatfache, die um fo überrafchender ift, wenn man

an Karls Tettwilliges Verhalten gegen feinen und der Smanahilde Sohn, Gripho, denkt. 5) Gewiß ift, daß Swanahild und Gairefred den Brauch einführten, °) von allen marftbefuchenden Kaufleuten, ?) welcher Nation fie auch immer angehörten, eine Kopfftener zu erheben, und zwar 4 Denare von jedem freien Manne; ®) die Sklaven waren

4) Nur das erſte von allen, das Dagoberts vom Jahre 629, blieb fonder- barerweije unerwähgt.

) Urt. b, col. 1169: asenciente ipso viro Grimoaldo, majorem-domus nostri,

®) Daf. col. 1109: tam quod ibidem super terras ipsius baselice resedire vedintur, quam et postia ipsa vice ad Parisius; ferner col. 1110: et se evenit, aut pro clade aut per quacumquelibit delaecione [b. i. delaesione] interveniente, exinde aliuby fuerit ipsi marcatus emutatus, predietus teleneus in integretate ad ipsa casa Dei... . permaniat concessus adque indultus.

4) Urt. c: ante hos annos, quando Carlus fuit ejectus per Soanachilde cupiditate et Gairefredo Parisius comite insidiante.

®) Befremdend ift aud, daß Pippin feinen Vater in der Urkunde kurzweg nur mit feinem Nanien nennt, wie jonft weder ihm noch felbft entferntere Ber wandte. Dennod läßt der Sat kaum eine andere Deutung, noch auch wohl die Handſchrift eine amdere Leſung zu. Die neuefte Ausgabe der Klofterurkunden bei Tardif, Monumens historiques (1868), ift mic leider nicht zugänglich geweſen; Migne benugte bei feinem Abbrud nur die älteren Editionen.

) Die Urfunde fügt Hinzu: per deprecationem, bitttveife, wie Wait BG.IV. ©. 146 08 überträgt. Der Ausdrud, gewöhnlicher precatio ober precaria, bilbet den Gegenſatz Ir per fortia, womit Childebert das Berfahren Gairins bezeichnet;

1. -

f. oben ©. 69 >

?) ad illos necuciantes vel marcadantes.

®) dicebant, quod .. . unumquemgue hominem ingenuum dinarius quatuor dare fecissent. J

Beſtätigung des Marktrechtes von ©. Denys. 71

der Abgabe demnach nicht unterworfen. Der nachfolgende Graf Gaire⸗ hard !) aber begnügte fi mit dem vorgefundenen Mißbrauch nicht, fondern erhöhte die Abgabe jedes freien Mannes, welder von einem Sklaven begleitet zu Markte kam, von 4 auf 5 Denare; 2) der unfreie Stand des Begleiters mußte duch einen Eid des Herrn, wie ich vermuthe erhärtet werben. ?)

Die Folge diefer Belaftung war, daß die Fremden, die fonft den Markt zu beiuchen pflegten, allmählich ausblieben, daß der Verkehr dadurch abnahm, die Zolleinkünfte des Kloſters vermindert wurden: fo ſtellten es wenigſtens die Vertreter des Kloſters vor Pippin und feinen Beifigern in ihrer Beſchwerde gegen Gairehard dar. Diefer behauptete zwar, nur nad) dem Vorgange Swanahildens und Gairefreds gehandelt zu Haben, erklärte jedoch zugleich, daß er dem Ausſpruche des Königs und den alten Privilegien ſich zu fügen bereit fei. Nachdem denn auch die Urkunden der früheren geld von Dagobert I. bis auf Childebert und feinen Hausmaier Grimoald, *) vorgelegt und ver- leſen worden waren, fiel die Entfcheidung des Gerichts in allen Stücken zu Gunften des Mllofters aus: es wurde einerjeits jene mißbräuchliche Kopffteuer von vier Denaren, andererfeits jede Erhebung von Zöllen

) Die Namen Gairin, Gairefred, Gairehard laffen auf Verwandtſchaft zwiichen den drei Grafen ſchließen; vgl. Weinhold, die deutſchen Frauen in dem Mittelalter S. 21—22.

®) ad unoquemgue homine ingenuo de quacumque natione ... dinarius quatuor de eorum capite exactabant, si ingenuus esset; et si servus erat, tunc conjurare debebat, quod servus fuisset, et ipsi homines, quando ipso sacramento jurabant, quinque dinarius pro hoc donabant.

®) Felibien, histoire de l’abbaye royale de S. Denys (1706) p. 44, giebt diefe Stelle der Urkunde folgendermaßen wieder: . . . sous pretexte que les Religieux dans un temps de guerre avaient autrefois permis & Soana- childe et & Gairefroy comtes de Paris de lever quatre deniers par teste sur les marchands ... . Paugmenter @’un denier sur les marchands qui n'&taient pas de condition libre. Daß er aber per eorum consensu mit Un- tedht auf die monachi s. Dionysii, flatt auf Swanahifde und Gairefred, bezieht, zeigt die fpätere Stelle: qualiter antea per permissione Soanachilde vel jam dieto Gairefredo missa fuisset [oonsuetudo]. Wir glauben ferner gegen FElibien annehmen zu müffen, daß für ben Kopf jedes Sklaven nur ein Denar von Seiten feines Herrn entrichtet wurde; denn wenn e8 ſchon an ſich nicht glaublich ift, dog man Sklaven höher als Freie befteuert haben follte, jo fommt Hinzu, daß unfreie deute doch auch ſchwerlich als felbftändige Käufer oder Berfäufer auf Märkte gereift fein werben, baß überdies der Eid um einer Erleichterung, nicht um einer Erſchwerung willen geleiftet wurde, Der Plural comtes endlich ſcheint auf dem feltfamen Jerthume zu berufen, als ob aud) unter Smanahild ein Barifer Graf zu denfen wäre. Wenn es ſchon große Schwierigkeiten Hat, den Inhalt einer Urkunde duch ein Negeft zutreffend wiederzugeben, fo ift es oft, wie da8 vor · iegende Dipfom bewveift, noch weniger Teidht, ven Wortlaut in allen feinen Einzel- beiten zu reprodueiren

Es if bemerfensmwerth, wie bei_Anführung des letzten gerichtlichen Er- tenntniffes, das ja eigentlich gegen den Hausmaier gerichtet mar und nur ſchließ · lid) auch feine Zuftimmung erhielt, die Perfon Grimoald's von Pippin zu wiede hoften Malen in den Bordergrund geftelt wirb: fo col. 1624: etiam et Hilt- bertus et avunculus noster Grimoaldus majorim domus; col. 1526: inspecto

72 Capitel V. 758.

für den König oder feine Beamten während der Marktzeit unterfagt. Der Waarentransport pflegte ſowohl auf Schiffen als aud auf Wagen und Saumthieren zu gefchehen; daher gab es in der Stadt und auf dem Lande, auf den Flüffen und in den Häfen, an Brücken und Thoren die mannigfaltigiten Arten der Verzollung, die hier im Einzelnen aufgeführt und ſämmtlich von nenem dem Klofter zugefprochen wurden. *) Die Begünftigung bezog ſich auch diesmal, wie gejagt, nur auf die Dauer de8 Jahrmarktes, welcher in der Feſtzeit des heil. Dionyſius abge halten wurde; ?) und zwar follte die Erhebung der Zölle alsdann durch die Klojterbeamten felbft, wie es ſcheint, nicht durch die Stantsbehörde erfolgen. *)

Das Diplom, weldes Pippin über diefe Angelegenheit ausftellte, ift nicht ſowohl eine königliche GerichtSurkunde, d. h. eine Aufzeichnung der vor dem Könige geführten Verhandlungen, als vielmehr ein Präcept des Fürften zur Betätigung und Sicherung des durch die gerichtliche Entſcheidung feitgeftellten Rechts; *) daffelbe ift daher aud, was bei Gerichtsurfunden nicht der Fall zu